29 December 2011

Die GEMA in Brüssel: Podiumsdiskussion im Zentrum der europäischen Politik

Woran kann man messen, ob eine Einladung wertvoll ist? Wenn die Gäste auch bei widrigsten Wetterbedingungen die Einladung annehmen. So geschehen am 1. Dezember in Brüssel, bei der abendlichen Podiumsdiskussion, die die GEMA gemeinsam mit der Landesvertretung Bayern zum Thema „Der Schutz des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft“ veranstaltet hatte.
Eingeladen hatten zu der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion die Bayerische Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Emilia Müller und der GEMA-Vorstandsvorsitzende Dr. Harald Heker, der auch selbst als Diskussionsteilnehmer auf der Bühne in der Vertretung des Freistaats Bayern mitten im EU-Regierungsviertel Platz nahm.

Staatsministerin Müller hatte ihre Teilnahme aufgrund des Wintereinbruchs kurzfristig absagen müssen – die Begrüßung der rund 200 Zuhörer im Publikum übernahm kurzerhand ebenso fachwissend und charmant die Leiterin der Landesvertretung, Dr. Angelika Schlunck. Sie freute sich über die wiederholte Co-Gastgeberrolle nach der ersten gemeinsamen Veranstaltung der GEMA vor rund einem Jahr, als u.a. Roger Cicero die Gäste gemäß dem Motto „Musik ist unsere Nummer 1“ unterhalten hatte.

Der GEMA-Aufsichtsratsvorsitzende Jörg Evers betonte in seinem zur Diskussion überleitenden Grußwort einmal mehr die große Bedeutung des Urheberrechts gerade auch im Internet und im digitalen Zeitalter. „Der drohende Qualitätsverlust in einer Welt ohne Urheberrecht geht nicht nur zu Lasten der Urheber, sondern auch zu Lasten der Nutzer.“

Für die Moderation des Abends hatten die Organisatoren von der Direktion Politische Kommunikation eine optimale Verbindung aus Urheber und Politik gewinnen können: Mercedes Echerer, Schauspielerin und Leiterin EU XXL Film, die von 1999 bis 2005 selbst als Parlamentarierin im EU-Parlament: „Das Urheberrecht, seine Durchsetzung und seine Wahrnehmung, das ist ja alles ganz schnell und leicht lösbar. Dieser einfachen Meinung war ich auch, aber dass dem nicht so ist, das mussten wir alle lernen.“

Knapp drei Stunden lang führte sie durch die Gesprächsrunde, deren Ergebnis für Zuhörer wie Podiumsteilnehmer eindeutig war: Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft ist ein Thema, das alle Beteiligten auch in 2011 intensiv beschäftigen wird und dessen Bewahrung eines der drängendsten politischen Themen in Europa ist.

Kerstin Jorna, Stellvertreterin des Kabinettchefs von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, verwies darauf, dass der bestehende Rahmen im Wesentlichen „tauglich“ sei und dass die EU-Politik gerade in diesen Monaten dabei sei, eine Gesetzgebung auszuarbeiten, die eine Anpassung der Verwertungsgesellschaften und ihrer Aufgaben „im Fadenkreuz der Dienstleistungsrichtlinie“ ermögliche, um den Autorengesellschaften in Europa weiterhin die Möglichkeit zu geben, im Interesse der Urheber Anbietern neue Kooperationen und Geschäftsmodelle offerieren zu können.

Dr. Harald Heker richtete den Blick auf Lehren aus der Vergangenheit, die man bei solchen Überlegungen ziehen müsse: „Die Empfehlung für den Binnenmarkt im Jahr 2005 war eine gefährliche Entwicklung: das anglo-amerikanische Repertoire war nicht mehr verfügbar und somit hatten wir keine Konkurrenzfähigkeit mehr im Internet.“

Dr. Ralf Weigand, Komponist und Aufsichtsratsmitglied der GEMA, warnte davor, die Belange der Urheber außer Acht zu lassen: „Wir hören immer: Geschäfte müssen möglich sein, die Nutzer müssen profitieren können. Über die Autoren spricht keiner mehr.“

Marielle Gallo, Mitglied des Vorstands der Fraktion der Europäischen Volkspartei und Verantwortliche für den sog. Gallo-Report, stellte v. a. die Bedeutung der anhaltenden Diskussion um das Urheberrecht in den Fokus ihrer Statements: „Wenn wir das Urheberrecht schützen wollen, dann ist das ein Kampf. Aber kein Kampf Alt gegen Jung oder Urheber gegen Nutzer. Es ist der Kampf von morgen, um das Überleben von Künstlern gewährleisten zu können. Es ist ein ideologischer, ein philosophischer Kampf.“

Christian Engström von der Piratenpartei überraschte mit einem Statement pro Urheberrecht – zumindest teilweise. „Niemand will das Urheberrecht abschaffen, die Piratenpartei möchte das auf keinen Fall. Wir möchten es dahin zurückbringen, wo es vor 20 Jahren war. Private Nutzer dürfen alles machen, nur gewerbliche Nutzung unterliegt dem Urheberrecht.“

Dr. Angelika Niebler, wie ihre Kollegin Marielle Gallo Mitglied des Vorstands der Fraktion der Europäischen Volkspartei, verwies auf die Verantwortung, die die Politik in diesen Fragen hat: „2009 gab es eine Milliarde legale Downloads und zehn Milliarden illegale Downloads. Davor kann man als Politiker nicht die Augen verschließen. Ich bin ein Befürworter der Möglichkeiten des Internets, aber ich habe noch keinen Urheber kennengelernt, der durchs Internet reich wurde.“

Dr. Renate Dörr, stv. Leiterin des Europabüros des ZDF, verwies auf die Bedürfnisse der Fernsehanstalt, die zugleich Urheber und Nutzer ist. „Wir sind für starken Urheberrechtsschutz, da wir Künstler brauchen. Aber wir haben das Problem, dass der Rechteklärungsprozess sehr umfangreich ist.“