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30. Mai 2018

„Frauen sind keine Minderheit“

GEMA-Mitgliederfest und Fred Jay Preis: Das passt seit ein paar Jahren so gut zusammen wie Gin und Tonic. In diesem Jahr ging die höchste Textdichterauszeichnung an Inga Humpe, die sich eine Botschaft an die Musikbranche nicht nehmen lässt.

Benjamin von Stuckrad-Barre ist in Bewegung. Er hält die Laudatio für die Fred Jay Preisträgerin Inga Humpe, und hinter seinem Rednerpult wippen seine Füße, wechseln sich Spielbein und Standbein im karierten Anzug in kurzer Folge ab, verlagert er das Gewicht seines Oberkörpers vor und zurück. Stuckrad-Barres Tanz hinter dem Pult kann nur sehen, wer rechts vor der Bühne steht, dem Rest des Publikums bleibt er verborgen. Es ist schön zu beobachten, wie nervös der große Schriftsteller ist – und das hat einen Grund: „Es ist fast schon unangenehm, in welchem Maß ich Inga Humpe verehre“, gesteht er zu Beginn seiner Laudatio. Es sei lächerlich, ihr Werk in einer Redezeit von fünf bis zehn Minuten erklären zu wollen. „Fünf bis zehn Tage wären gut.“

„Keine stumpfen Verkaufsparameter“

In seiner kurzen Redezeit stellt Stuckrad-Barre die These auf, dass Inga Humpe seine beste Freundin sei. „Das weiß Inga Humpe gar nicht, wie sehr ich mich ihr verbunden fühle, aber Inga Humpe erklärt mir in ihren Texten alles: Sie erklärt mir Liebe, sie erklärt mir die Traurigkeit, sie erklärt mir den Tag und die Nacht und das tut sie schon seit dem Jahr 2000, als sie mit 2Raumwohnung das endgültige Gefäß für ihr Genie gefunden hat.“

Geniale deutsche Songtexte werden seit 30 Jahren mit dem Fred Jay Preis ausgezeichnet, es ist der wichtigste Preis für Textdichter in Deutschland. Der Preis würdige Songwriter, „die sich um die Schaffung, Förderung und Verbreitung deutscher Texte verdient gemacht haben“, heißt es offiziell. Nicht ganz so sperrig formuliert darf man sagen, dass diese Textdichterinnen und Textdichter es schaffen in Worte zu fassen, was viele fühlen – und was der Einzelne so doch nie auszudrücken vermocht hätte. Das macht die Preisträger aus. Ihre Arbeiten sind von besonderer Qualität. „Der Fred Jay Preis ist ein würdiger Preis, dessen Vergabe nicht nach stumpfen Verkaufsparametern berechnet wird – beim Fred Jay Preis wird Qualität und nicht Quantität beurteilt und das allein ist für kulturelle Errungenschaften ein akzeptables Kriterium. Alles andere ist Unsinn“, formuliert Stuckrad-Barre.

Der Stifter des Preises, Dr. Michael J. Jacobson, Sohn von Fred Jay und Kardiologe aus New York, sagte in seiner Rede. „In einer Welt, wo Popularität und Populismus eine so große Rolle spielen, haben juryausgezeichnete Preise eine größere Wichtigkeit denn je. Sie erlauben es, gesellschaftliche Werte zu unterstützen und geben ein wenig Halt angesichts der immer stärker wehenden Winde des Populismus.“

Bewusste Brüche im Text

Über die Preisträger entscheiden in der Jury drei Frauen und zwei Männer. Alle Jurymitglieder haben selbst schon mal den Preis gewonnen, sie kennen sich also aus mit der Materie Text. In diesem Jahr haben Anna Depenbusch, Pe Werner, Claudia Jung, Burkhard Brozat und Frank Ramond sich für Inga Humpe als Preisträgerin entschieden, denn: „Inga Humpe hat mit ihren Texten die deutsche Musikkultur maßgeblich mitgestaltet. Die Leichtigkeit ihrer Sprache trägt die Melodie. Mit ihren Werken hat sie deutschsprachigen Elektropop etabliert. Es ist ihr gelungen, wie auch dem Namensgeber des Preises – Fred Jay – national und international erfolgreich zu arbeiten.“

Die Bedeutung des Preises unterstreichen auch die ehemaligen Preisträger, die sich im Saal befinden: Julia Neigel, Alexander Helmer, Peter Plate, Katja Ebstein und Marcel Brell sind im Publikum und lauschen dem Minikonzert, das Inga Humpe gibt – und bei dem sie dem Publikum einheizt.

Nach dem Kurz-Konzert ist es Inga Humpe wichtig, noch etwas loszuwerden: „Frauen in der Musikindustrie – das ist ein Thema, über das ich nicht sprechen möchte, weil ich uns allen jetzt hier nicht den Abend verderben will. Aber Frauen sind keine Minderheit. Deswegen lasst uns alle dafür kämpfen, dass dies auch hier abgebildet wird, dass Frauen keine Minderheit sind. Uns ist wichtig, dass Musik, und das versuche ich auch in meinen Texten zu sagen, Menschen zusammenbringt und Freiheit und Freude stiftet. Und nicht, dass Musik dazu benutzt wird, um Hass und Verachtung zu schüren.“

Alle Informationen zum Fred Jay Preis finden Sie unter www.gema.de/fjp

Verleihung des Fred Jay Preises am 15. Mai 2018