Bundesverdienstkreuz für Annette Humpe
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„Deine blauen Augen machen mich so sentimental – so blaue Augen, wenn du mich so anschaust wird mir alles andere egal“: Schon beim Lesen dieser Zeilen ist für die Älteren alles wieder da: Die Sängerin mit der Kapitänsmütze, die Keyboard-Melodie, gelangweilt vorgetragene Strophen, explodierender Refrain. Für die Komponistin und Textdichterin des Songs „Blaue Augen“, Annette Humpe, bedeutete das Lied den nationalen Durchbruch. Er legte mit den Grundstein für eine unbeschreibliche musikalische Karriere, zu deren Stationen neben Ideal auch die Neonbabies, Humpe & Humpe oder Ich + Ich gehören. Annette Humpe arbeitete zudem als Songschreiberin oder Produzentin unter anderem für Udo Lindenberg oder Max Raabe. In den mehr als 40 Jahren, in denen sie eine gewaltige Stimme in der deutschen Musiklandschaft darstellt, war ihre Musik immer progressiv, als Vorreiterin wollte sie aber trotzdem nie wahrgenommen werden. „Das engt mich ein. Ich mache mir über so etwas keine Gedanken. Ich bin Buddhistin und im Hier und Jetzt. Man soll sich weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft aufhalten“, sagte sie im Gespräch mit der ZEIT.
Für ihr kulturelles Schaffen wurde sie nun gemeinsam mit 28 anderen Künstlern von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie habe die deutsche Sprache besonders originell mit Punk oder Soul kombiniert, die Texte von einst gehörten zum Kanon im Deutschunterricht und verbänden Jung und Alt, heißt es in der Begründung für ihre Ehrung. Warum ihre Texte so wichtig sind für die Menschen und ihre Herzen berühren? „Ich mag eine klare und eindeutige Sprache. Ironie verstehe ich ganz schlecht, das war schon in der NDW-Zeit so“, gesteht sie in der ZEIT.
Annette Humpe ist heute Berlinerin durch und durch, aufgewachsen ist sie allerdings nicht in der Hauptstadt, sondern in Herdecke in Nordrhein-Westfalen, wo ihre Eltern eine Konditorei hatten. Später studierte Annette Humpe Komposition und Klavier in Köln. Nach Berlin kam sie in ihren Zwanzigern, 1974. „Es war eine kuschelige Stadt“, erzählte sie mal im NDR-Gespräch mit Hubertus Meyer-Burckhardt. „Ich hab mich sicher gefühlt. Ich dachte, es war der beste Ort der Welt – war es auch.“
Wer Annette Humpe richtig kennenlernen möchte, hört am besten ihre Lieder. Sich Menschen direkt zu öffnen fällt ihr nicht leicht. Sie lasse nicht jeden nah an sich ran, sagte sie dem NDR. „Ich kann eine Pseudonähe herstellen, dass sich Leute wohl fühlen. Aber wer lässt denn schon freiwillig neue Leute an sein Innerstes?“ Ihr Herz öffnet sie in der Kunst. „Ich möchte die Leute erreichen – und nicht, dass meine Tante Käthe eine CD von Annette Humpe hat“, stellt sie in der ZEIT klar. „Ich schreibe etwas von mir da rein. Die Strophen in ,Vom selben Stern’ sind mir sehr wichtig. Ein Freund von mir hatte eine schwere Depression. Ich wollte ihm sagen: ,Steh auf, zieh dich an, jetzt sind andere Geister dran – ich nehm' den Schmerz von dir!’ Ich wollte, dass er wieder am Leben teilnimmt.“
Text: Lars Christiansen
Quellen:
DIE ZEIT, 28. Oktober 2010
NDR Radio, Annette Humpe im Gespräch am 6.8.2017