Gastbeitrag zum Welttag des geistigen Eigentums
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Von Christopher von Deylen
Unlängst hat mich ein freundlicher Redakteur von der GEMA angerufen und gefragt, ob es etwas zum Welttag des geistigen Eigentums zu sagen gäbe. Welttag des geistigen Eigentums? Angeregt von der UNESCO? Ganz offiziell? So etwas exisitert? Was für eine Überraschung. Das wussten wir ja gar nicht. Neben dem Tag der Kekse („National Cookie Day“ am 4. Dezember) und dem Ehrentag der Frisuren (30. April) gibt es also tatsächlich einen weltweiten Tag zum Gedenken an das geistige Eigentum. Wie schön. Moment mal, habe ich eben „zum Gedenken” gesagt? Das soll jetzt aber nicht wie ein Nachruf klingen. Obwohl… Man kommt sich ja mittlerweile schon ziemlich albern vor, wenn man dem Begriff des geistigen Eigentums das Wort redet. Kommt ja auch zum Glück immer seltener vor. Die Gedanken sind frei, heißt es rasch, und man möge sich doch bitte nicht so anstellen. Das Zitat von Thomas Jefferson ist dann nicht mehr weit, dasjenige nämlich, in dem davon die Rede ist, dass es eben gar kein geistiges Eigentum gäbe, und dass jeder, der die Idee eines anderen empfängt, dadurch sein Wissen mehre ohne das des Schöpfers zu mindern. Klingt toll, nicht wahr? Für die Erfindung des Rades mag das sicherlich auch zutreffen. Ist im Alltag schon praktisch, wenn man, nachdem man sich wieder einmal eine original Berliner Sternburg-Glasscherbe in den Reifen gefahren hat, im Fahrradladen keine Lizenzgebühren an die Nachkommen des findigen Töpferlehrlings vom Indus bezahlen muss, der vor geschätzten 7.000 Jahren dieses hilfreiche runde Objekt erfunden hat. Aber Musik? Was ist denn nun mit Musik? Geistiges Eigentum? Man möchte sich ja gar nicht beschweren, denn eigentlich ist ja alles in bester Ordnung. So hört man zumindest. Die Stimmung in der Banche augenscheinlich ist gut, auf YouTube kann man wieder alles sehen und hören und die lästigen Piraten (ja genau, so etwas gab es mal) haben sich erst minutiös zerlegt und anschließend bravourös versenkt. Für die Freunde gepflegten Filesharings gibt es jetzt zum Glück die als Streaming-Abo getarnte Kulturflatrate, und die Großfirmen der Tonträgerindustrie können sich dank üppiger Spotify-Vorauszahlungen endlich wieder reich rechnen, statt sich in undankbarer Frickelei in Lobbyismus zu üben. Da mussten die Protagonisten von Firmen und Verbänden jahrelang nachts um halb eins am Lieblingstresen den widerborstigen Staatssekretär davon zu überzeugen versuchen, dass das so mit der Aushöhlung des Urheberrechts nicht weitergehen könne, und dass das geistige Eigentum besser geschützt werden müsse, und überhaupt. Das alles ist, was für ein Segen, Vergangenheit. Es ist jetzt also alles hübsch wieder wie früher. Die Welt ist wieder in den Fugen. Und am Lieblingstresen ist man endlich wieder unter sich. Oder haben wir da etwas Wesentliches vergessen, verpasst oder verdrängt? Um ehrlich zu sein: Man weiß es nicht. Die Frage nach dem Schutz des geistigen Eigentums scheint zumindest im Musikbereich vorerst beantwortet worden zu sein. Durch den monatlichen Einwurf von Hartgeld im Gegenwert von drei Soja-Latte-Macchiatos (alternativ vier Stunden Parken am Potsdamer Platz) steht uns das gesamte musikalische Weltgedächtnis Tag und Nacht und an jedem Ort der Erde zur Verfügung. Und das sogar vollkommen legal. Eigentlich toll, oder? Auf jeden Fall besser, als sich unter allgemeinem Beifall beklauen lassen zu müssen. So raunt man sich jedenfalls immer wieder zögernd nickend zu. Und das ist auf jeden Fall schon mal ein Fortschritt. Ist es das? Aber kann man als Komponist und Textdichter von seiner Kunst leben? Das wird sich zeigen. Es gibt Stimmen, die postulieren, dass der Unterschied zwischen beklaut und gestreamt werden kleiner ist als gewünscht. Ist die Bühne jetzt der letzte Ausweg? Live spielen und hoffen, dass niemand auf die Idee einer Konzert-Flatrate kommt? Aber was ist dann mit den Autoren und Textdichtern, die nicht die Möglichkeit haben, selber auch als Künstler in die Welt zu ziehen? So unbefriedigend es auch klingen mag: Wir werden es erleben. So oder so. Lamentieren bringt nichts, das Leben geht weiter, und außerhalb Nordkoreas kann man das Internet auch nicht so einfach abschalten. Vielleicht kann man die Welt, wie sie nun mal ist, für sich umdeklinieren? Paradigmenwechsel meets Goldgräberstimmung? Es ist noch gar nicht so lange her, da mussten Komponisten und Textdichter mit Argumentationsfibeln ausgestattet durch Talkshows tingeln und stoisch erklären, warum eine Melodie oder ein Text überhaupt schützenswert sind. Vielleicht haben aber auch die sozialen Netzwerke geholfen, das Bewusstsein zu schärfen. Denn immer wenn die AGB geändert werden, geht ein Tumult durch die Netzgemeinde, vor allen Dingen, wenn die Bildrechte am frisch geposteten Katzenfoto theoretisch an Mark Zuckerberg persönlich übergehen. Sie wissen schon, geistiges Eigentum und so. Wo waren wir noch mal stehengeblieben? Ach ja, Welttag des geistigen Eigentums, 26. April, UNESCO. Haben Sie den Tag dieses Jahr auch verpasst? Falls ja, bitte auf jeden Fall jetzt schon für das nächste Jahr vormerken. Dann feiern wir alle zusammen. Und freuen wir uns bitte endlich mal über das Erreichte und sind frohen Mutes. Keine betretenen Gesichter mehr und Schluss mit dem Lamento. Alles tanzt. Zum Abschluss ein Kännchen gute Laune, aber bitte warm anziehen. Denn Kännchen gibt es bekanntlich nur draußen. Übrigens: Immer am ersten Sonntag im Mai ist Weltlachtag.