Wertvolle Transaktionen
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Die Blockchain ist eines der technologischen Trendthemen 2016. Über Industriegrenzen hinweg werden ihre Anwendungsmöglichkeiten unter die Lupe genommen – so auch in der Musikindustrie. IT-Experten diskutieren den Einsatz der Technologie für reibungslose und sichere Transaktionen und im Musikmarkt werden erste Geschäftsmodelle erprobt. Grund genug für eine Bestandsaufnahme.
Die Blockchain ist in aller Munde: Ob in den Medien oder auf Expertenpanels – die Technologie, die einen ganz neuen Standard an Datensicherheit, Fälschungsresistenz und Transparenz von digitalen Austauschprozessen bieten soll, wird eifrig diskutiert. Noch immer sind Bitcoins die wohl bekannteste Anwendung der Blockchain, die hinter dieser digitalen Währung bereits seit acht Jahren operiert. Das Verfahren ist also nicht neu, dennoch erklärungsbedürftig. Die „Blockkette“ gliedert sich in eine Reihe von Datenblöcken, die in Summe eine Art digitales Register bilden. Solch ein Register könnte in Zukunft nach Vorstellung der Blockchain-Vordenker auch die Werkedokumentation für Verwertungsgesellschaften sein. Hierin würde dann das Repertoire an Musikwerken mit allen Informationen wie Urheber, Spieldauer, Verleger und Beteiligungen vermerkt. Der Vorteil der Blockchain liegt nun darin, dass die in ihr hinterlegten Daten nicht auf der Festplatte nur eines Servers gespeichert sind, sondern identisch auf einer Vielzahl von Rechnern. Diese Verteilung der Daten lässt die Blockchain derzeit so attraktiv erscheinen, da sie Transaktionen um ein Vielfaches sicherer macht. Wie funktioniert die Blockchain? Auf Basis der Blockchain-Technologie können mannigfaltige Transaktionen digital erfolgen. Sei es der Tausch von Geld gegen Ware oder das Geschäft mit immateriellen Werten wie Zertifikaten, Informationen und Lizenzen. Ein Beispiel ist der Handel mit Diamanten, bei dem die Blockchain-Technologie bereits genutzt wird: Die Eigenschaften, die die Echtheit eines Diamanten definieren sowie die Informationen zu dessen rechtmäßigem Besitzer sind in einem Block der Kette gebündelt und verschlüsselt gespeichert, ebenso die Bedingungen, unter denen ein Verkauf und die Rechteübertragung erfolgen sollen. Ein weiterer Block entsteht dann, wenn eine bestimmte Anzahl neuer Transaktionen vorliegt. Diese werden in dem neuen Block gebündelt, der sich in die Kette einfügt. Neben den Daten der aktuellen Vorgänge enthält dieser Block auch einen Code („Hash“), welcher sich u. a. aus Informationen des vorherigen Blocks zusammensetzt. Durch diese Verknüpfung der Kettenglieder sollen Transaktionen gegen Manipulationen oder Rechtsmissbrauch immun sein. Jede Transaktion oder Datenänderung erfordert zudem das „OK“ aller festgelegten Rechner eines Blockchain-Kreislaufs. Verkauf und Eigentümerwechsel eines Diamanten können so fälschungssicher abgewickelt werden und der Händler als neutrale Prüfinstanz entfällt. Die Blockchain in der Musikindustrie Ähnlich wie Diamanten ist die schöpferische Arbeit von Musikautoren ein wertvolles Gut. Daher machen die multiplen Sicherheitschecks die Blockchain auch für die Musikindustrie höchst interessant. Wie sie zur Lizenzierung eines Werkes direkt zwischen Urheber und Musiknutzer eingesetzt werden kann, loten Modellprojekte bereits aus. Ein vielzitiertes Beispiel ist die Kooperation der britischen Künstlerin Imogen Heap mit der Plattform „Ujo“. Seit Februar dieses Jahres bietet sie ihr selbst komponiertes und getextetes Lied „Tiny Human“ Musiknutzern über Ujo auf Basis der Blockchain-Technologie an (mehr unter:
www.ujomusic.com). Dabei bestimmt sie die Lizenzierungsbedingungen selbst. Ein gut funktionierender Einzelfall, der Blockchain-Enthusiasten in dieser Technologie den Schlüssel zu einer transparenteren Musikindustrie mit schnelleren und einfacheren Abläufen im Beziehungsgefüge Künstler/Fan sehen lässt. Die GEMA begleitet diese Auseinandersetzung innerhalb der Branche mit hohem Interesse und prüft selbst Einsatzmöglichkeiten der Blockchain. „Aus technischer Sicht ist die Blockchain ein hochspannendes Thema. Vor allem mit Blick auf die sichere Verschlüsselung und Speicherung von Daten ist das ein ganz neuer Ansatz“, sagt Dr. Markus Grimm, Leiter der IT-Tochter IT4IPM der GEMA. „Allerdings müssen wir uns mit zahlreichen offenen Fragen befassen, beispielsweise wie die Validität und Qualität der ihr zugrundeliegenden Daten sichergestellt werden können“, beschreibt Dr. Markus Grimm eine der Herausforderungen. 2015 wurden allein rund 1,2 Millionen Werke bei der GEMA angemeldet und 180.000 Werkänderungen vorgenommen. Das lässt erahnen, wie aufwändig die Verwaltung der Daten der Musikurheber ist. Wollte man beispielsweise, wie von Blockchain-Vordenkern diskutiert, in der Zukunft ein internationales „Rechteregister“ auf Basis der Blockchain-Technologie an den Start bringen, müssten die notwendigen Daten aus diversen Quellen initial in die Blockchain eingespeist, validiert und fortlaufend gepflegt werden. „Bei all diesen Überlegungen muss auch bedacht werden, dass die Technologie an sich nicht die Entwicklung eines entsprechenden Regelwerks ersetzt“, erläutert Thimo Prziklang, Direktor Strategie und Entwicklung bei der GEMA. Etwa, um den Umgang mit Widersprüchen zwischen zwei Informationsquellen zu klären. In der Blockchain als Technologiealternative innerhalb der GEMA sieht Thimo Prziklang grundsätzlich Potential: „Wenn der Einsatz der Blockchain schnellere, transparentere und effizientere Verteilungs- und Lizenzierungsprozesse ermöglicht, ist die Technologie für die GEMA natürlich von hohem Interesse.“ Fazit: Chancen vs. Herausforderungen Die Technologie birgt ein hohes Leistungsvermögen, das in der gesamten Branche und auch in der GEMA auf Anwendbarkeit geprüft wird. Ob die Blockchain tatsächlich die Musikindustrie nachhaltig verändern kann, wird sich zeigen. Alle Beteiligten stehen hier erst am Anfang. Die GEMA behält dabei stets die Sicherheit und Qualität der Daten ihrer Mitglieder im Blick – ein Aspekt, der für sie als Treuhänderin des geistigen Eigentums der Musikschaffenden besonders wichtig ist. Text: Nadine Remus