14. März 2005

Gemeinsame Stellungnahme der Verwertungsgesellschaften GEMA, GVL, VG Bild-Kunst und VG Wort

Die erwähnten Verwertungsgesellschaften vertreten Urheber- und Leistungsschutzrechte von Urhebern und ausübenden Künstlern sowie Produzenten.
Wir äußern uns zum EU-Richtlinienvorschlag „Dienstleistungen im Binnenmarkt“ vom 10. Januar 2005, zugleich auch zu den Vorstellungen der EU zur Harmonisierung der Rechtsverhältnisse der Verwertungsgesellschaften.

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass folgende Änderung der Dienstleistungsrichtlinie erfolgt:

1. Art. 2 Abs. 2 wird ergänzt um eine Ziffer d), die wie folgt lautet:
(Die Richtlinie findet keine Anwendung auf folgende Tätigkeiten: )
          - d) Dienstleistungen auf dem Gebiet der kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutzrechten durch Verwertungsgesellschaften
2. hilfsweise: Art. 17 Ziff. 13, wird ergänzt um folgenden Halbsatz:
          - 13) die Urheberrechte, die verwandten Schutzrechte und deren Wahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften sowie (Fortsetzung im Wortlaut des bisherigen Textes)

Zur Begründung tragen wir folgendes vor:


1. In der „Communication from the Commission on the Management of Copyright and Related Rights in the Internal Market (Markt 170/2003)“ aus dem Jahre 2003 kündigt die EUKommission ein umfangreiches Regelungsinstrument zur Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften im Binnenmarkt an. Sie hebt dabei einerseits auf die spezielle Funktion der Verwertungsgesellschaften im Hinblick auf die treuhänderische Wahrnehmung der ihnen übertragenen Urheber- und Leistungsschutzrechte ab und äußert andererseits die Absicht, die Interessen der Nutzer geschützter Werke im europäischen Binnenmarkt zu stärken, denen der Zugang zu diesen Werken insbesondere im Zusammenhang mit der elektronischen Nutzung von Werken und Rechten erleichtert werden soll. Die deutschen Verwertungsgesellschaften unterstützen diese Ziele der Kommission.

2. Im Bericht des Europäischen Parlaments zu einem Gemeinschaftsinstrument für Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten (europäisches Parlament final A5-0478-2003 vom 11. Dezember 2003) fordert das Europäische Parlament ergänzend die Europäische Kommission auf, bei der Prüfung der Fragen der kollektiven Rechtswahrnehmung auch die kulturelle Dimension der kollektiven Rechtswahrnehmung im Auge zu behalten, da die Rechte, die von dieser Wahrnehmung umfasst werden, durch die Berner Konvention, die TRIPS- und WIPO-Verträge sowie verschiedene EU-Direktiven speziell ausformuliert und geschützt werden. Sie weist weiterhin darauf hin, dass die die Verwertungsgesellschaften betreffenden Regeln vor allem deshalb zwischen den Mitgliedsstaaten in einigen Punkten voneinander abweichen, weil sie den kulturellen Unterschieden der Mitgliedsstaaten entsprechen ( Ziff. 27 ). Die deutschen Verwertungsgesellschaften unterstützen diese Aussage.

3. Die Verwertungsgesellschaften begrüßen das Bemühen der EU-Kommission, den Rechtsstatus der kollektiven Wahrnehmung durch das angekündigten „Instrument“, nach neuesten Informationen eine Richtlinie, die sich speziell auf diesen Gegenstand bezieht, zu entwickeln. Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Dienstleistungsrichtlinie, die gegensätzliche Organisationsprinzipien für den Bereich der Dienstleistungen vorsieht, nämlich z. B. das „Herkunftslandprinzip“, dieser Aufgabe nicht gerecht werden, und schlagen deshalb vor, den gesamten Bereich der Verwertungsgesellschaften in der oben erwähnten Form aus der Dienstleistungsrichtlinie förmlich auszuklammern.

4. Geschähe dies nicht, würde die Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie in der vorliegenden Form dazu führen, dass das gesamte System der kollektiven Rechtswahrnehmung, das auf Lizensierung der Verwertungsgesellschaften durch staatliche Behörden, in Deutschland das Deutsche Patent- und Markenamt, Gegenseitigkeitsverträgen, z.T. auch auf koordinierte One-Stop-Shop-Lizenzierungen von Rechten im gesamten Gebiet der EU basiert, zerschlagen würde. Die Richtlinie würde dann ermöglichen, dass ausländische Verwertungsgesellschaften, die nicht der Zulassung der jeweils nationalen Behörden unterliegen (eine zentrale EU- Zulassung und Kontrolle existiert nicht), in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten tätig werden könnten, wo sie sich der Kontrolle entziehen und damit auch zum Nachteil der landesansässigen Urheber und Verwertungsgesellschaften sowie der Nutzer selektive Wahrnehmungstätigkeiten entfalten könnten. Sie wären z.B. von dem in Deutschland geltenden Wahrnehmungszwang ( § 6 Abs. 1 WahrnG) und dem Abschlußzwang (§ 11 Abs. 1 WahrnG) befreit und könnten von dem Mitgliedsstaat mit dem geringsten Schutzniveau aus eine agenturähnliche Wahrnehmung einzelner Rechte für eingeschränkte Nutzergruppen zu ihren Bedingungen einrichten. Wir verzichten darauf, die weiteren aus den Regelungen des Urheberwahrnehmungsgesetzes zur Kontrolle der deutschen Verwertungsgesellschaften und zum Vorteil der Nutzer formulierten Vorschriften im einzelnen zu kommentieren, um diese Stellungnahme nicht ausufern zu lassen.

5. Wir sind deshalb zusammenfassend der Auffassung, dass es sinnvoll und zweckdienlich wäre, die Regelung der die kollektive Wahrnehmung betreffenden Fragen der Regelung durch das geplante spezialgesetzliche „Instrument“ zu überlassen und in dieses Instrument ggf. notwendige Überlegungen auch im Hinblick auf die verbesserte Erbringung von Dienstleistungen aufzunehmen.

6. Schließlich geben wir zu bedenken, dass gem. Art. 151 des EG-Vertrags die Einbeziehung kultureller Dienstleistungen - also auch der Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften - dem Ziel des EG-Vertrags zur Wahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt zuwiderläuft. Wie bereits erwähnt, bilden die Verwertungsgesellschaften eine wesentliche Basis der Erhaltung der kulturellen Vielfalt in den Mitgliedsstaaten der EU, da sie dazu beitragen, den Urheberinnen und Urheber sowie den leistungsschutzberechtigten Künstlern und Produzenten in den Mitgliedsstaaten auf der Basis der geltenden und von der EU weitgehend harmonisierten Gesetze eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke zu sichern und zugleich den Nutzern das weltweite Repertoire zugänglich machen. In gleicher Weise fördern die Verwertungsgesellschaften durch ihre Einrichtungen zur Unterstützung kultureller und sozialer Zwecke die nationale Kultur und die kreativen Menschen. Diese Funktion ihrer Arbeit könnte bei Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtlinie in unveränderter Form nicht mehr aufrecht erhalten werden, was den jeweiligen nationalen kulturellen Infrastrukturen und der kulturellen Vielfalt in der EU zum Nachteil gereichen würden.

München/Bonn, 04.03.2005


Verantwortlich:
Dr. Elfriede Oberhofer
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