Deutscher Musikautorenpreis: Die Nachwuchspreisträgerinnen im Interview
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Sie sind jung, talentiert und haben in ihren Genres bereits Maßstäbe gesetzt: Die Musikautorin und Sängerin Lina Maly sowie die Komponistinnen Anna-Marlene Bicking und Kathrin A. Denner werden mit dem Nachwuchspreis des Deutschen Musikautorenpreises ausgezeichnet. Was ihnen der Preis bedeutet und welche Themen, Wünsche und Ziele die drei jungen Urheberinnen bewegen, haben sie uns in einem Interview verraten.
Herzlichen Glückwunsch, Ihr werdet bei der diesjährigen Verleihung des Deutschen Musikautorenpreises mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet. Der Preis wird verliehen unter dem Motto „Autoren ehren Autoren“. Was bedeutet Euch diese Auszeichnung?
Kathrin A. Denner: Ich fühle mich in erster Linie sehr geehrt und freue mich sehr. Es ist toll, wenn die eigene Arbeit geschätzt und man als Komponistin wahrgenommen wird. Beim Komponieren denke ich natürlich nicht in erster Linie an das Publikum. Aber es ist schön, wenn es eines gibt und wenn man gehört und wahrgenommen wird.
Lina Maly: Ich finde es sehr schwer Musik zu kritisieren oder Musik zu bewerten. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass sich jemand so in mich einfühlen konnte und meine Musik als gut empfunden hat. Dabei handelt es sich ja nur um eine subjektive Meinung. Ich bin stolz, so viele Menschen erreicht zu haben und dass so viele Menschen das fühlen, was ich auch gefühlt habe. Das ist ja nicht selbstverständlich.
Anna-Marlene Bicking: Es gibt Zeiten, die lassen einen so derartig an sich zweifeln, da wir uns oft viel zu sehr mit unserer Arbeit emotionalisieren. Und dann gibt es Zeiten wie diese, in denen es scheint, dass das überdimensionale Knäuel an Leidenschaft für das eigene Schaffen von außen reflektiert und mit Begeisterung rezipiert wird. Genau dieses Gefühl der Anerkennung durch geachtete Gleichgesinnte und VorreiterInnen ist die große Freude, die ich jetzt, durch den Erhalt des Musikautorenpreises, empfinde.
Beim Musikautorenpreis spielen Verkaufszahlen keine Rolle, nur die Qualität der Musik ist entscheidend. Viele, insbesondere junge Urheber, stehen jedoch oft vor der Herausforderung, musikalisch kreativ zu sein ohne sich von finanziellem Druck einschränken zu lassen. Habt Ihr diese Erfahrung gemacht?
Anna-Marlene Bicking: Oh ja - erst im letzten Jahr nach der Fertigstellung meines Albums „Tagtraum“, in das ich mich sehr reinprojiziert habe, spürte ich deutlich diese Diskrepanz zwischen In- und Output, zwischen Kunst und Geldverdienen. Lässt sich das überhaupt miteinander verbinden? Das scheint in sich schon paradox. Ich habe soviel aus dieser Zeit gelernt und möchte auch anderen den Tipp geben: Verdamme den Gedanken, dass Verkaufscharts oder Airplay-Gedöns deinen Erfolg ausmachen. Oft bekomme ich zu hören, dass ich niemand bin, weil ich nicht im Fernsehen komme. Verabschiede dich voll und ganz von diesem Blödsinn. Umarme lieber die Idee, dass du den Erfolg im kreativen Schaffensprozess findest, dass du alles geben wirst für dein Produkt.
Lina Maly: Ja, ich kenne das auch, stand jedoch glücklicherweise selbst nie unter großem finanziellen Druck, da ich bereits in sehr jungen Jahren einen guten Plattendeal bekommen habe. Was natürlich absoluter Luxus ist. Und das weiß ich auch sehr zu schätzen. Ich hätte mir sonst vielleicht einen Minijob gesucht. Zum Glück hat man als junger Mensch aber meistens auch noch keinen so hohen Lebensstandard oder muss eine Familie ernähren. Und ich habe auch viele Freunde, die keinen Plattenvertrag haben und trotzdem gar keinen Druck haben. Es machen auch ganz viele so, dass sie nachts in einer Bar arbeiten oder als Gitarrenlehrer. Ich glaube tatsächlich, Geld ist gar nicht so das Problem. Man entscheidet sich ja dafür, Musik zu machen. Würde ich jetzt meinen Stundenlohn ausrechnen, wäre er nicht besonders hoch. Aber das macht man ja nicht. Man ist einfach froh, das machen zu können, was man liebt. Ich glaube, wenn du dich dafür entscheidest, Musiker zu sein, entscheidest du dich gleichzeitig dafür, finanziell nicht so abhängig zu sein von irgendjemandem, sondern nur von dir selbst. Das kann schön sein, aber natürlich auch nicht.
Kathrin A. Denner: In der E-Musik steht der kommerzielle Aspekt sowieso nicht an erster Stelle. Ich bin meinem Schaffen schon immer treu geblieben und ich habe mich nie irgendwelchen musikalischen oder ästhetischen Strömungen oder Musikstilen angepasst, nur um eventuell größeren finanziellen Gewinn zu erzielen. Meine finanzielle Situation sollte mein künstlerisches Arbeiten nie beeinflussen. Das versuche ich zumindest.
Habt Ihr ein Ziel vor Augen, wenn Ihr Musik erschafft? Oder überrascht Euch das Ergebnis selbst manchmal? Was macht für Euch persönlich eine ausgezeichnete Komposition/ein ausgezeichnetes musikalisches Werk aus?
Lina Maly: Ich selbst bin nicht so der konzeptuelle Typ. Es gibt Leute, die wissen genau wie ihr Album aussehen soll. So bin ich gar nicht. Ich setze mich hin, spiele Gitarre, dann singe ich, hole vielleicht einen befreundeten Produzenten dazu, der einen Beat gebaut hat. Ich bin immer sehr spontan. Ich habe kein Konzept, das ich ausschließlich verfolge. Manche brauchen das, ich brauche das irgendwie nicht. Mich würde das eher einengen. Ich habe auch teilweise einen Monat Schreibblockade und dann schreibe ich auch nicht. Da setze ich mich nicht unter Druck. Und dann habe ich wieder eine Woche, in der ich sechs Songs schreibe. Ich will das nicht aus mir rausquetschen müssen. Aber manchmal muss man natürlich unter Druck arbeiten, weil man gerade im Studio ist und neue Songs braucht. Bis jetzt hatte ich aber immer das Glück, dass ich kreativ war, wenn ich es sein musste.
Kathrin A. Denner: Natürlich plant man einiges im Voraus, wie zum Beispiel die Länge eines Stücks, welche Besetzung, wie viele Musiker. Das sind eher grobe Dinge, die geplant werden. Aber wenn man dann mal angefangen hat zu komponieren, kommt doch oft etwas ganz anderes dabei heraus, als man sich vorher gedacht hat. Das Ergebnis kann sehr überraschen. Ich bin manchmal immer noch überrascht und fasziniert von Klängen, die bei der Aufführung entstehen. Aber manchmal ist es auch so, dass man abends nach dem Komponieren denkt: Oh, ich lösche das lieber wieder. Für ein gutes Werk muss man viel auf den Bauch hören. Der sagt einem schon, ob es passt oder nicht.
Anna-Marlene Bicking: Ich bin eigentlich von jeder Komposition, die ich fertig anhöre, am Ende überrascht. Ich nehme mir oft inspirative Vorlagen, nach deren Idee ich eine Komposition stricke und am Ende freue ich mich sehr oft darüber, wie anders und originell sie sich entwickelt hat. Eine gute Komposition ist für mich nicht an allgemeingültigen Merkmalen festzumachen. Ich glaube, das ist für jeden ein Gefühlsding und sollte nicht objektiv bewertet werden. Aber um nur ein Beispiel zu nennen: ABBA hat für mich die höchste Anzahl an persönlichen Lieblingskompositionen herausgebracht.
Als Preisträgerinnen des Musikautorenpreises werdet Ihr in die Akademie Deutscher Musikautoren (ADMA) aufgenommen, die Musikschaffenden in Deutschland eine Stimme gibt und für die Wertschätzung der kreativen Leistung von Komponisten und Textdichtern eintritt. Als junge Urheberinnen seid Ihr die Zukunft der deutschen Musikbranche. Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft dieser Branche?
Kathrin A. Denner: Ich wünsche mir für die Branche, dass sie eine angemessene Würdigung erfährt, und nicht von Online-Plattformen oder Streamingdiensten, die Musik kostenlos oder unter Wert anbieten wollen, überrannt wird. Dann wünsche ich mir natürlich, dass mehr Frauen in der Branche gehört werden. Denn auch in der E-Musik – zum Beispiel beim großen Festival in Donaueschingen – sind prozentual gesehen nur sehr wenige Frauen vertreten. Auch im deutschen Komponistenverband haben wir nur einen kleinen Prozentsatz weiblicher Mitglieder. Aber ich glaube, es ist auch eine Frage der Zeit. Wenn man sich jetzt den Nachwuchs genauer anschaut, die Zusammensetzung der Kompositionsklassen zum Beispiel: Hier haben wir im Moment ein relativ ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Vor zwanzig Jahren waren überwiegend Männer darin vertreten. Und diese Männer sind jetzt die großen Komponisten. Eigentlich müsste es jetzt in zwanzig Jahren mehr weibliche Komponisten geben, die groß geworden sind. Aber natürlich konzentrieren sich Frauen oft auch auf die Familie, und stellen die Karriere hinten an. Wie in anderen Berufen auch.
Lina Maly: Es gibt einige Themen, die ich gerne einbringen möchte. Ich habe mit sechzehn Jahren einen Plattendeal bekommen, das war super. Aber da ich noch so jung war, wurde ich oft nicht ernst genommen. Diesen Stempel habe ich mittlerweile langsam aber sicher abgeschrubbt von meiner Haut. Und aufgrund dieser Erfahrung ist es mir zum Beispiel wichtig dafür zu sensibilisieren, dass auch junge Stimmen gehört werden. Junge Leute haben frische Gedanken und sollten mehr Einfluss bekommen. Und ich freue mich als junger Mensch in dieser Akademie und damit auch Sprachrohr sein zu können. Auch freue ich mich darauf, Meinungen und Ansichten meiner Freunde zu sammeln und unter diesem Dach einbringen und vertreten zu können. Und zum Thema Feminismus möchte ich mich natürlich auch einbringen. Ich setze mich viel mit diesem Thema auseinander. Nicht nur in den oberen Rängen, sondern auch in den unteren Rängen herrscht in der Musikindustrie ein Ungleichgewicht. Ich kenne so viele starke Frauen, die krasse Meinungen haben und mit ins Boot geholt werden sollten. Gehört zu werden ist ein Luxus.
Anna-Marlene Bicking: Ich wünsche mir, dass die GEMA weiterhin ihren Stellenwert in der hiesigen Industrie ausbaut und mehr und mehr Zuwachs an aktiv mitwirkenden AutorInnen bekommt. Die GEMA halte ich für eine wunderbare Sache für Musikautor-/innen. Was ich mir für die deutsche Musiklandschaft wünsche: Ich bleibe bei der Ansicht, dass öffentlich-rechtliche Sender eine Art „Bildungsauftrag" haben und sich wieder mehr von einem scheinbaren Quotendruck lösen müssen. Künstlerische Produktionen gehören nicht nur in die Nischen- und Mitternachtssendungen, sondern in die Prime Time, denn erst dort können sie vor einem großen, wohlwollenden Publikum wahrgenommen werden. Wenn kreative Leistungen weiterhin stärker gefördert werden, sodass man irgendwann von öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mehr zu hören bekommt: „Wir machen keine Hits, wir spielen die Hits“, dann erst kommen wir dem Ziel einer reichen und pluralen Musikkultur näher.
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