Magazin / 05. August 2020

Drei Fragen an Michelle Leonard

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Wir haben uns mit Michelle Leonard über ihre neue Rolle im Aufsichtsrat der GEMA gesprochen und wie es ihr in der aktuellen Situation geht.

Was bedeutet der Schritt in den Aufsichtsrat der GEMA für dich, als Frau?

Die GEMA war und ist mein wichtigster Partner und ich setzte mich seit Jahren für die Stärkung von Frauen in dieser Branche ein. Ich hatte damals meine Edition „Dolsira“ mit UMP gegründet, da ich in erster Linie Frauen fördern und stärken wollte. Elif, Alina und Betty Dittrich sind einige Autoren und mittlerweile sind sie gestandene Frauen im Business. Ich war Mentorin im VUT Music Industry Women Mentoring Programm, habe an "she writes" all women Songwriter Camps in London und Berlin teilgenommen, bin ein großer Fan von Rock City und die großartigen Aktionen von Music Women Germany, etc. Ich setzte mich ein und will ein gutes Beispiel und ein Team Player sein. Ich arbeite zum Beispiel seit Jahren mit weiblichen Producer zusammen – das ist für mich selbstverständlich. Ich wundere mich jedoch, wenn die Frage aufkommt, wer den Beat gemacht hat und wenn ich dann einen Frauennamen nenne, ein „OH! - Eine Frau?“ kommt. Das finde ich so unpassend in dieser Zeit. Das gleiche gilt, wenn ich ein Line Up von einem Festival sehe und kaum weibliche Acts gebucht wurden. 

Frauen müssen in unserem Business sichtbarer und lauter werden. Dieser Schritt bedeutet mir also viel.  

Was liegt dir bei der Arbeit der GEMA besonders am Herzen?

Wir haben einiges durchgemacht in den letzten Jahren und stehen vor großen Herausforderungen. Wie stärken und schützen wir unsere Rechte in aufkommenden Technologien? Wie unterstützen und stärken wir unsere GEMA-Community in der Musiklandschaft? Wie schaffen wir eine zeitgerechte faire Aufteilung mit mehr Transparenz und Income?

Streaming-Plattformen sind ein großer Teil meines Day to Day Business und einige Meldungen ärgern mich. Zum Beispiel die letzten Meldungen von YouTube, dass sie unsere Dänischen Koda Kollegen blockieren, weil sie sich nicht auf einen YouTube Deal einlassen wollen. Das kommt uns in Deutschland sicherlich auch etwas bekannt vor. YouTube zieht diese Nummer immer wieder ab und das kurz nachdem die CEOs von Apple, Google, Facebook und Amazon dem US-Kongress gegenübertraten, weil sie unter anderem „zu viel Macht haben“… Die Anhörung konzentrierte sich darauf, ob die Unternehmen ihre marktbeherrschenden Positionen missbrauchen. Ich hoffe, dass wir einen Weg finden den Value Gap zu füllen und dass wir Modelle und eine Basis finden, die unser Income für die Zukunft sichert.

Ich wünsche mir, dass sich die up and coming Generation mehr engagieren und lauter werden. Dass wir weiterhin zusammenhalten und unsere Community wächst. Ich hoffe, dass die Jungen in die Mitgliederversammlungen kommen und Stimme zeigen. Wir haben es mit Tech-Giganten zu tun und brauchen politisches Backing und jede Stimme. 
 

Hast du einen Ratschlag für diese schwierige Zeit?

Es sind gerade die schwierigen Zeiten, in denen Musik oft so eine wichtige Rolle im Leben spielt. 

Mir ist klar, dass einige Lösungsansätze genreabhängig sind. Online-Sessions und Writing Camps empfinde ich zum Beispiel im Pop/Dance/Urban/Hip-Hop-Bereich als eine gute Zwischenlösung – das kann gut funktionieren. Allerdings bin ich natürlich viel lieber mit Menschen in einem Raum. Es gibt einige Projekte, die können nicht online geschrieben werden. Ich persönlich beschäftige mich vermehrt damit „meine Bibliothek" mit Ideen zu füllen und Song-Konzepte zu entwickeln. 

Viele stellen sich die Frage, wie es weitergehen soll. Abgesehen von essentiellen Hilfsfonds, Hilfspaketen und Fördermitteln, ist es einfach gerade für viele schwierig. Viele Kreative sind sensibel und ich mache mir generell über die mentale Stabilität in diesen Zeiten Gedanken. Ich merke, dass sich viele zurückziehen. Es wird gefühlt leiser auf den Social Media Plattformen – große Fragen werden gestellt.  Zusammenhalt, Nächstenliebe, Loyalität, Verständnis und auf sich Acht geben ist gerade besonders wichtig und wenn wir schon nicht so einfach zusammen Musik machen können, ist mal ein kurzer Check bei den Kollegen viel Wert.