Magazin / 05. September 2022

Ein massives Zeichen

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Wie kommt die erste explizit klimafreundliche Coldplay Tour bei den Fans an? Die GEMA hat sich beim Konzert in Berlin umgehört.

Fans der britischen Band Coldplay wissen es: Auf Konzerten wird ihnen einiges für ihr Eintrittsgeld geboten. Das betrifft auch die aktuelle Welttournee. Neben dem Einsatz optischer und akustischer Highlights setzt die Band diesmal noch mehr als sonst auf viel Botschaft zum Thema Klimaschutz. Sehr brisant, wenn man bedenkt, dass Coldplay eigentlich schon öffentlich mit dem Gedanken gespielt hatte, zur Schonung der Umwelt gänzlich auf internationale Auftritte zu verzichten. Offenbar haben sie einen anderen Weg gefunden. Ob und wie dieses Kommittent bei den Fans ankommt und wie glaubwürdig sich Coldplay auf ihrer „Music-of-the-Spheres“-Tour präsentiert, dazu haben sich ein paar Fans bei den Berliner Konzerten im Juli 2022 geäußert.

 

Die Coldplay Konzerttour war zum ersten Mal in der Geschichte der Band besonders klimafreundlich. Habt ihr das gemerkt? Woran? Welche Maßnahmen sind euch im Gedächtnis geblieben?

Oliver: Auf das Thema Nachhaltigkeit wurde an vielen Stellen hingewiesen. Wir haben zum Beispiel Menschen beobachtet, die auf einem Ergometer Strom erzeugt haben. Und kleine Rotoren auf den Schweinwerferständern haben mit Windkraft Strom erzeugt.

Rüdiger: Auf den Leinwänden wurde in Videobotschaften dazu aufgerufen, sich umweltfreundlicher zu verhalten, und darüber informiert, dass für jeden Zuschauer ein Baum gespendet würde. Im Vorfeld habe ich allerdings wenig mitbekommen. Ich kann mich nur an die Ankündigungen nach den letzten Konzerten vor zwei oder drei Jahren erinnern, wo es hieß, dass sie nur noch klimaneutral auftreten möchten.

Christin: Als eingefleischter Fan und aktive Followerin von Coldplay und BMW, einem der Tour-Kooperationspartner, habe ich auf Social Media im Vorfeld vieles erfahren. Ich erinnere mich auch an einen Beitrag im Musikmagazin „Rolling Stone“, in dem die Band das bisherige Tourkonzept in Frage gestellt hatte.

Wie glaubwürdig schätzt ihr die Klimaschutzmaßnahmen von Coldplay ein?

Wolfgang: Ich denke, Coldplay hat das gesamte Tour-Konzept wirklich auf Nachhaltigkeit und Einsparpotenziale hin überprüft und dadurch wichtige Erfahrungswerte für andere Künstler gesammelt.

Matthias: Ich glaube, der Wille für umweltverträgliche Konzerte ist schon da. Auf mich wirkten die Maßnahmen im Stadion aber viel zu klein, um wirklich etwas zu bewirken. Außerdem wurden wie früher jede Menge Feuerwerk und Konfetti in die Luft geblasen und Elektronik-Armbänder an die Besucher verteilt. Das macht natürlich wahnsinnig Stimmung, aber Konzerte ohne Konfetti und ohne Feuerwerk müssen auch weniger kompensieren.

Christin: Die Band und ihre Mitglieder engagieren sich seit Jahren für wohltätige Zwecke, ob nun der Support beim Red Nose Day, Global Citizen oder zuletzt ihr Konzert beim Climate Pledge Day in den USA. Das gesellschaftliche Engagement der Band ist einer der Hauptgründe, warum ich Fan bin.

Wie relevant ist es für die Rettung der Welt, dass Konzerte nachhaltiger werden?

Christin: Enorm. Alle Lebensbereiche müssen klimafreundlicher werden, auch der Unterhaltungsbereich.

Rüdiger: Ich finde, es ist ein massives Zeichen. Denn du erreichst damit schnell und direkt Millionen von Leuten. Jeder noch so kleine Schritt hilft.

Matthias: Alles in unserem Leben und unserer Gesellschaft muss sich für die Rettung der Welt ändern, also auch Konzerte und Veranstaltungen.

Fühlt ihr euch als Fans eher gemaßregelt oder ist der erhobene Zeigefinger sogar ein Muss in diesen Zeiten?

Rüdiger: Gemaßregelt? Überhaupt nicht! Die Botschaften wurde ja eher sanft „einmassiert“, also kein Zeigefinder.

Oliver: Ich finde es wichtig und richtig, dass man auch als Fan auf die Problematik hingewiesen wird.

Christin: Mir zeigt das Konzept, dass mit den richtigen Ideen ein erster Schritt zu mehr Umweltschutz möglich wird – und jeder seinen Teil dazu beitragen kann!

Wie achtet ihr als Fans aus eigenen Stücken auf Klimaschutz? Reist ihr beispielsweise weniger als früher, um eure Lieblingskünstlerinnen und -künstler zu sehen?

Rüdiger: Gute Frage, denn genau hier fängt es natürlich an. Coldplay spielt zwar aus Klimaschutzgründen in nur wenigen Städten in Deutschland, aber dadurch werden mehr Fans gezwungen, von weiter weg anreisen. Fragt sich, was unterm Strich klimaschädlicher ist.

Oliver: Man macht sich zumindest häufiger Gedanken. Da es aber für die meisten Bands einfacher ist, ein paar Großkonzerte zu spielen als viele kleinere, bleibt einem oft nichts anderes übrig als zu reisen.

Matthias: Da sich mein Reiseverhalten insgesamt gerade im Sinne des Klimaschutzes verändert, reise ich eher selten zu weit entfernten Konzerten. Ansonsten sehe ich aber eher die Künstler und Veranstalter in der Pflicht, schließlich treffen die ja auch Entscheidungen, wie ein Konzert produziert wird, ob Ökostrom zum Einsatz kommt und wie man unnötige Reisestrecken einsparen kann. Darauf habe ich als Fan ja wenig bis keinen Einfluss.

Christin: Ich ernähre mich vegan, unterstütze selbst Umweltorganisationen und kaufe einiges an Kleidung Second-Hand. Die Anreise zum Coldplay Konzert fand im E-Auto statt.

Coldplay ist nur eines von vielen Beispielen. Immer mehr Künstlerinnen und Künstlern liegt der Klimaschutz am Herzen und sie nutzen ihre Popularität, um andere zu überzeugen. Ein aktuelles Beispiel ist die Berliner Musikgruppe Seeed. „Mit großer Band durch die Gegend fahren und große Konzerte spielen, ist der beste Job der Welt – aber nicht gerade klimaschonend und nachhaltig“, heißt es in einem ihrer Statements. Irgendwann wollten die Seeed-Mitglieder mehr Engagement zeigen als Wasserspender im Backstage aufzustellen oder veganes Catering zu servieren. Und stellte ihre fünf ausverkauften Berlin-Konzerte einer Studie der Nachhaltigkeitsagentur „The Changency“ und der Berliner Hochschule für Technik zur Verfügung, die wissenschaftliche Daten über den Einfluss von Großkonzerten auf die Umwelt erhebt und auswertet. Die Erkenntnisse daraus könnten die gesamte Branche revolutionieren.[1]

Auch Tote-Hosen-Frontmann Campino appelliert inzwischen offen dafür, Klima- und Ressourcenschutz konsequent in die Tat umzusetzen, und bei Konzerten etwas Zukunftsweisendes zu schaffen – „auch wenn das für uns alle zunächst etwas ungewohnt sein mag“, wie er in einem Interview selbst einräumt[2]. „Wir wollen versuchen, uns bei unseren Veranstaltungen so klimapositiv und nachhaltig zu verhalten, wie wir es von der Bühne herab predigen“, versprechen Bela B., Farin Urlaub und Rod González von den Ärzten[3]. Und sie wissen: Ob die Veränderung funktioniert oder nicht, hängt auch davon ab, ob die Fans mitspielen: „Wir sind bereit, dafür Opfer zu bringen und wissen, dass wir viel verlangen, wenn wir Euch da mit ins Boot holen, aber ohne Euch geht es nicht.“[4]

Solange es eingefleischte, aber auch kritische Fans wie Christin, Matthias, Wolfgang, Rüdiger und Oliver gibt, stehen die Chancen gut, dass die Message nicht nur ankommt, sondern auch etwas bewegt.


[1] Quelle: MUSIKWOCHE vom 05.08.2022, https://beta.musikwoche.de/details/473948 (abgerufen am 10.08.2022)

[2] Quelle: U-Discover vom 22.08.2022, https://www.udiscover-music.de/news/die-toten-hosen-und-die-aerzte-wollen-nachhaltigere-konzerte?fbclid=IwAR3KPSLDabIGMW4Pu6Nq36dyoptZvEtR0kUOQA7sjdFY2PqByX7p1y7BLu0 (abgerufen am 23.08.22)

[3] Quelle: U-Discover vom 22.08.2022, https://www.udiscover-music.de/news/die-toten-hosen-und-die-aerzte-wollen-nachhaltigere-konzerte?fbclid=IwAR3KPSLDabIGMW4Pu6Nq36dyoptZvEtR0kUOQA7sjdFY2PqByX7p1y7BLu0 (abgerufen am 23.08.22)

[4] Quelle: U-Discover vom 22.08.2022, https://www.udiscover-music.de/news/die-toten-hosen-und-die-aerzte-wollen-nachhaltigere-konzerte?fbclid=IwAR3KPSLDabIGMW4Pu6Nq36dyoptZvEtR0kUOQA7sjdFY2PqByX7p1y7BLu0 (abgerufen am 23.08.22)

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