KI im Generationenkonflikt: analog vs. digital

Papier und Bleistift versus Algorithmen: Die GEMA Mitglieder Felice Pedullá (Jahrgang 1958) und Annelie Schwarz (Jahrgang 1994) berichten über die Rolle der KI in ihrem Arbeitsalltag als Musikschaffende.

Felice Pedullá:

Ich selbst arbeite mit Gitarre,  einem Blatt Papier und einem Stift, also eher analog. So entstehen alle meine Songs, die später in den Studios in ein schönes musikalisches Gewand gepackt werden. Der Studiobetreiber Hubert Nitsch, mit dem ich eng zusammenarbeite, arbeitet noch mit einem Analog-Pult, auf das er schwört, während mein anderer Studiopartner Christoph Seipel in seinem Studio lieber digital arbeitet. Es sind aber stets die eigenen Melodien, die wir mit modernen Arrangements umrahmen. Songs, die durch die KI entstehen, habe ich bereits gehört und auch schon probeweise eingesungen. Ich sollte mir eine von der KI komponierte Melodie aussuchen und dazu einen italienischen Text einsingen. Geschrieben wurde der Text von der KI, nicht von mir. Innerhalb weniger Sekunden erhielten wir mehrere Textangebote. Die Inhalte waren jedoch meist ohne Sinn und Verstand. Nichtssagende Floskeln, die nicht einmal phonetisch zur Melodie passten. Ein zweites Mal möchte ich das auf keinen Fall versuchen. Ich möchte etwas Echtes von mir Erlebtes wiedergeben. 

Mein Fazit: Musik ist Gefühl, Leidenschaft und Emotion, die mir kein künstliches Programm je vermitteln könnte. Klar, alles entwickelt sich weiter, aber für mich sollten Computer nicht unsere Gefühlswelt übernehmen. Sie sollten lediglich ein vom Menschen gesteuertes Hilfsmittel sein.

Mann mit schwarzen Haaren
„Die Inhalte der KI waren meist ohne Sinn und Verstand“ – Felice Pedullá

Annelie Schwarz: 

Ich bin eindeutig der digitale Typ.  Aber das war nicht immer so. Bis vor Kurzem habe ich mich immer geweigert, meine Arbeitsroutine durch digitale Tools zu optimieren, weil ich Sorge hatte, durch die Einarbeitung Zeit zu verlieren, die ich lieber direkt in meine Arbeit stecken wollte. Irgendwann ließ es sich jedoch bei meiner Arbeit als Produzentin und Songwriterin nicht mehr vermeiden und ich fing an, mich nach und nach einzuarbeiten.

Heute sind viele digitale Tools ständige und wichtige Begleiter bei meiner Arbeit und im Alltag. Ich möchte auch nicht mehr zum Analogen zurück. Die Tools sind wie eine Erweiterung meines Gehirns oder im Fall von beispielsweise ChatGPT gar wie eine zweite Person, mit der ich im Austausch sein kann. Ich bin mir dabei der Grenzen der Tools selbstverständlich bewusst. Sie ersetzen nicht den Austausch mit echten Menschen. In meinen Produktionen verwende ich KI-Tools wie beispielsweise Musicfy zur Stimmbearbeitung sowie Loudly zur Produktion von synthetischen Sounds. Mein Style ist geprägt von energetischen Beats mit verspielten Drums und sattem Low-End sowie von ausgefeilter Mehrstimmigkeit in den Vocals. Der Vorteil ist, dass die Bereitschaft und Neugier, sich in ein neues Tool einzuarbeiten, mit jedem 
neuen Tool wächst.

Frau mit blonden Locken
„Ich möchte nicht mehr zum Analogen zurück“ – Annelie Schwarz

Biografien:

Felice Pedullá, Jahrgang 1958, ist seit 1984 GEMA Mitglied. Er komponiert Pop- und Popschlagersongs mit deutschen und italienischen Texten für viele bekannte Schlagersänger. Einige seiner Songs wurden auch international erfolgreich, darunter „Like Heaven Calling Earth“ von Dana Winner gesungen mit 1,5 Millionen verkauften CDs in Südafrika. Am liebsten arbeitet er beim Songwriting alleine mit seiner Akustikgitarre und setzt die Songs dann mit seinen Partnern Hubert Nitsch und Christoph Seipel in deren Studios um. Große Unterstützung bekam er von Francesco Bruletti.

Annelie Schwarz, Jahrgang 1994, ist Produzentin, Sängerin, Songwriterin und Schlagzeugerin. Sie gehört zu den Gewinnerinnen des Female* Producer Prize 2023 und erhielt zuletzt den Diana-AI Songwriting Award. Sie produziert und komponiert für verschiedene Artists und Bands von Neo-Soul über Hip-Hop und Electro-Pop bis Techno und Drum and Bass. Seit 2020 ist sie als Recording- und Mixing-Engineer tätig. Mit ihrem Solo-Projekt „Aufmischen“ steht sie regelmäßig selbst auf der Bühne.