Magazin / 02. April 2024

„Now and Then“: Die Beatles vereint durch KI

Mehr als 50 Jahre nach der Trennung der Band wurde mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die vermutlich letzte gemeinsame Single der Beatles veröffentlicht.

Der Song „Now and Then“ (The Beatles, 2023) sorgte nicht nur bei Fans, sondern auch bei den beiden noch lebenden Beatles Ringo Starr und Paul McCartney für einen echten Gänsehautmoment: „Es war irgendwie magisch, das zu machen. Als wir im Studio waren, hatten wir Johns Stimme im Ohr. Also konnte man sich vorstellen, dass er einfach nur im Raum nebenan ist, in einer Gesangskabine oder so“, erinnert sich Paul McCartney in einem Interview mit der BBC an den Entstehungsprozess. 

Entstehung des Songs

Eigentlich ist der neue Beatles-Song nämlich alles andere als neu und zunächst war er auch kein Song der Beatles. John Lennon hat ihn einige Jahre nach der Trennung der Band 1970 geschrieben und nur kurze Zeit vor seinem Tod 1980 gemeinsam mit den Titeln „Free As A Bird“, „Real Love“ und „Grow Old With Me“ als Demo aufgenommen. Yoko Ono, die Witwe von John Lennon, übergab das Demo mit der Widmung „Für Paul“ nach Johns Tod tatsächlich an Paul McCartney.

Die damals drei verbliebenen Beatles Paul, Ringo und George arbeiteten bereits 1995 im Rahmen des Beatles-Anthology-Projekts an den vier Songs. Während „Free As A Bird“, „Real Love“ und „Grow Old With Me“ letzten Endes ihren Platz im Beatles-Universum fanden, scheiterte die Fertigstellung von „Now and Then“ allerdings an der schlechten Tonqualität des Demos. 

Die Rolle der Künstlichen Intelligenz

Erst im vergangenen Jahr gelang es mit Hilfe eines durch KI unterstützten Programms, John Lennons Stimme aus dem Band zu extrahieren. Das Problem war, dass die Audiospur neben John Lennons Gesang und dessen eigener Klavierbegleitung ein durchgehendes Störgeräusch in Form eines Brummens beinhaltete, das die Weiterarbeit am Song jahrelang verhinderte.

Eine wichtige Schlüsselrolle bei der Lösung des Problems spielte das Team um Regisseur Peter Jackson, der unter anderem für Filme wie „Herr der Ringe“ bekannt ist. Er und sein Team arbeiteten bereits 2021 am Beatles-Film „Get Back“. Dafür wurde aus Restaurationsgründen ein Programm entwickelt, das es ermöglicht, eine Audiospur in ihre einzelnen Komponenten zu trennen: das sogenannte „Machine Audio Learning“, kurz „MAL“, mit dem John Lennons Stimme klar hervorgehoben werden konnte. Diese Audiospur ergänzten Paul McCartney und Ringo Starr im Anschluss um neue Aufnahmen von Schlagzeug, Bass und zweiter Stimme. Auch die originalen Gitarrenaufnahmen von George Harrison aus den Anfängen der Arbeit an „Now and Then“ im Jahr 1995 sind in den Song eingearbeitet.

„Es gab furchtbare Gerüchte, dass es nicht Johns Stimme in dem dem Song sei, sondern KI. Paul und ich hätten das niemals gemacht. Es ist ein wunderschönes Lied und eine schöne Möglichkeit, dieses Kapitel zu beenden.“ – Ringo Starr im Interview mit AARP

Grenzen der KI

Trotz der unzähligen Möglichkeiten, die uns Künstliche Intelligenz eröffnet, wird auch am Beispiel der Beatles klar, dass KI zwar eine einzigartige Ergänzung im Kreativprozess darstellt, eines aber eben nicht kann: Mensch sein. Paul McCartney war zunächst skeptisch, das Projekt in dieser Form umzusetzen. Er führte sich darum während des Prozesses immer wieder vor Augen, was sein früherer Bandkollege und Freund zu bestimmten musikalischen Vorhaben und Änderungen gesagt hätte, und traf seine Entscheidungen anhand dieser Überlegungen. „Now and Then“ lebt also nicht alleine von der Restauration von John Lennons Stimme mittels Künstlicher Intelligenz. Vielmehr ist es das jahrzehntelange Zusammenspiel von beeindruckenden Menschen, ihrer Freundschaft und ihren Emotionen, das „Now and Then“ authentisch macht und die Beatles noch ein letztes Mal vereint hat.

Zitatquellen
BBC: „The Radio 1 Interview with Sir Paul McCartney“, 09.11.2023
AARP: „Ringo Starr on New Beatles Song: It’s ‘a Nice Way to Finally Close That Door’“, 21.11.2023