„Bayerisch ist prädestiniert für Rap“
Diesen Artikel teilen:
Der Tag der Musik nimmt in diesem Jahr die Musikschaffenden im ländlichen Raum in den Blick. Wir haben mit Sebastian Riepp, Sänger und Textdichter der achtköpfigen Hip-Hop-Combo Mundwerk-Crew über Regionalität und bayerischen Rap gesprochen.
Hip Hop ist eine Musikrichtung, die eng mit der englischen Sprache verknüpft ist. Wie funktioniert da bayerischer Hip Hop?
Hip Hop ist mit der englischen Sprache groß geworden, und Englisch ist auch prädestiniert für Rap und schnelle Silbenfolgen. Aber das ist beim bayerischen Dialekt ganz ähnlich. Der ist viel weicher und runder als das Hochdeutsche und besteht aus mehr Vokalen – wie das Englische. Außerdem gibt es eine Vielzahl eigenständiger Begriffe, die es im Hochdeutschen gar nicht gibt! Das macht Bayerisch fast schon zu einer eigenen Sprache und gerade deshalb interessant zum Schreiben und Rappen.
Aber braucht es bayerischen Hip Hop?
Ob es bayerischen Rap braucht? Unbedingt! Hip Hop hat heute so viele Facetten und in jedem Land der Welt rappen Menschen in ihrer Muttersprache, das ist großartig! Dialekt und Fremdsprachen abseits von Englisch sollten auch von der Musikindustrie und den Radios mehr angenommen und gefördert werden, vor allem in Zeiten in denen alles gleich klingt und gleich aussieht. Gerade Deutschland ist in der Hinsicht oft etwas borniert oder wie man in Bayern sagt: „eignaht“!
Seht Ihr Euch in der Tradition anderer bayerischer Bands?
Nicht wirklich. Wir rappen wie uns der Schnabel wächst. Mal auf Hochdeutsch, mal auf Bayerisch und mit Anglizismen. Durch unseren grundsätzlichen bayerischen Einschlag halten uns viele für Mundart-Rapper, obwohl das gar nicht stimmt. Unser letztes Album „komplementär“ war der erste Schritt in diese Sprachmischung. Aktuell schreibe ich allerdings viel auf Bayerisch.
Hip Hop thematisiert oft soziale Missstände. Was treibt Euch an und inspiriert Euch zu Euren Songs?
Inspiration finde ich überall im täglichen Leben. Je mehr ein Text eine Situation beschreibt, ins Detail geht und das „große Ganze“ ausklammert, desto interessanter wird er. Das ist wie in der Fotografie: Man sollte dem Betrachter die Möglichkeit lassen, sich den Rest des Bildes dazu zu denken. Wir greifen schon auch soziale Missstände in unseren Texten auf, ich würde uns aber nicht als politische Band bezeichnen. Unsere Hooks verbreiten oft gute Laune und laden zum Mitsingen ein. Tiefer gehender Inhalt und persönliche Perspektiven sind trotzdem ein wichtiger Bestandteil der Texte.
Seht Ihr Euch als Teil einer regionalen- bzw. Heimatkultur?
Der Begriff „Heimat“ ist ja gerade in Deutschland ein schwieriger und wird oft kontrovers diskutiert. Ich habe noch nie verstanden, was daran negativ sein soll. Ich denke in Bayern haben viele Menschen ein ausgeprägtes Regionalbewusstsein, unterstützen gerne regionale Bands, Betriebe oder kleine Dorfläden, die versuchen, sich vom Überangebot der Discounter abzuheben.
In den 1990er Jahren bis ca. Anfang der 2000er Jahre war das Thema Regionalität im Hip Hop viel ausgeprägter als heute. Da gab es die Hamburger, die Berliner, Stuttgarter, Münchner, Heidelberger etc. Jeder hatte seinen Style und seine Herkunft und trotzdem waren alle „connected“ und haben sich mit ihrem Style in die Hip Hop-Kultur mit eingebracht. Man konnte Beats und Lyrics auch besser zuordnen und sagen: „OK, das klingt nach Hamburg, das klingt nach München ...“.
Ich persönlich möchte meiner Musik immer einen gewissen Touch, eine Note verleihen, die sie einzigartig macht. Und natürlich repräsentieren wir auch die Ecke, aus der wir kommen, bringen den Chiemgau mit auf die Karte.
Zur „Neuen Bayerischen Welle“ – gibt es diesen Trend wirklich, wird Mundart wieder beliebter?
Ich denke der große Mundart-Hype liegt schon ein paar Jahre zurück. In der Musik ist Mundart mittlerweile recht gefestigt und verbreitet. Es ist bundesweit gesehen trotzdem eine Nische, die ihre Fans hat.
Wie kann man sich die Struktur der regionalen Bands vorstellen: Gibt es da die „Chiemsee-Connection“, die „Tegernsee-Connection“ usw.? Wie nah stehen sich die Bands?
Natürlich sind wir regional mit anderen Bands verbunden! Man läuft sich ja auch andauernd über den Weg und tauscht sich aus. Konkurrenz sehe ich da weniger, im Gegenteil! LaBrassBanda hat uns immer wieder stark unterstützt und mit auf Tour genommen. Das rechne ich ihnen hoch an, und wir pflegen immer noch eine gute Freundschaft. Im Chiemgau gibt es viele großartige Künstler und kreative Menschen. Es ist schön, wenn die Leute bleiben und die Region kulturell bereichern. Und egal ob Hip Hop, Rock, Elektro oder Blasmusik. Vielleicht ist es gerade das: die fehlende Szene auf dem Land, innerhalb derer sich Künstler in der Großstadt oft ausschließlich bewegen. Vielleicht entsteht gerade dadurch eine Vielfältigkeit und Aufgeschlossenheit, die sich dann in der jeweiligen Musik widerspiegelt und einer Region eben eine gewisse Note und Einzigartigkeit verleiht. Einen eigenen Sound.
Interview: Nadine Remus