Interviews (archiviert) / 02. Februar 2018

„Einen einzigen Finger kann man leicht brechen, eine Faust nicht!“

GEMA-Aufsichtsrat Jörg Evers wurde vor wenigen Tagen zum neuen Vice-President der CIAM gewählt, dem internationalen Rat der Musikautoren. Im Interview erklärt er, warum es für Musikautoren im digitalen Zeitalter der einzige Weg ist, sich zusammen zu schließen.

Jörg Evers im Interview mit Lars Christiansen

Herzlichen Glückwunsch, Herr Evers, Sie sind neuer Vice-President der CIAM, vorher waren Sie schon viele Jahre im Executive Committee des internationalen Musikautoren-Rats. Warum ist es Ihnen wichtig, sich neben dem Aufsichtsrat der GEMA auch international zu engagieren?

Weil wir schon lange nicht mehr auf einer isolierten Insel der Seligen leben. Durch die digitale Revolution werden nationale Grenzen immer poröser und eine Abschottung vor Entwicklungen im Ausland zunehmend anachronistischer. Des Weiteren versuchen diverse Global Player mit ungeheurer Lobby-Power, aus Profitmaximierungsgründen das Urheberrecht  ständig weltweit zu unterminieren. Der einzige Weg für die Musikautoren, dem international zu begegnen ist, sich zusammen zu schließen, sich gegenseitig zu unterstützen, sich miteinander abzustimmen und entschlossen füreinander zu kämpfen. Einen einzigen Finger kann man leicht brechen, eine Faust nicht!

Was gehen Sie als erstes an, in Ihrem neuen Amt?

Viel Engagement investieren wir in den Music Modernization Act in den USA. Hier werden gerade zukunftsweisende Weichen für die Rechtevergütung im Streaming-Bereich gestellt. Außerdem habe ich die Leitung der Workgroup „Metadata and  IT“ inne, die etwa die derzeitigen Entwicklungen im Bereich der Blockchain, die Weiterentwicklung der Service-Projekte innerhalb von CisNet zugunsten der Rechteinhaber oder von Musik-Identifikatoren im Fokus hat.

Wie sieht die Strategie der CIAM für mehr Aufmerksamkeit für die Musikautoren aus?

Um sowohl den Schutz und die Förderung  der Rechte der Musikautoren zu stärken, als auch deren ökonomische, soziale und kulturelle Interessen weltweit wirkungsvoll zu promoten, ist ein über den Globus verteiltes, solidarisches Netzwerk sehr hilfreich.

CIAM hat es in den letzten Jahren verstanden, dieses Netzwerk auf verschiedenen Kontinenten aufzubauen und zu erweitern.

Richtig. Mit Unterstützung der Regional-Büros der CISAC, dem Dachverband der Verwertungsgesellschaften für Musikurheber, entstanden die CIAM-„Partner Alliances“ in Europa (ECSA), Afrika (PACSA), Südamerika (ALCAM), Nordamerika (MCNA) und zuletzt 2016 für den asiatisch pazifischen Raum die APMA. Die Musikautoren der Welt können nun mit einer Stimme sprechen, die international Gewicht und auch politische Durchschlagskraft hat. Dies ist insbesondere in urheberrechts-gesetzgeberischen Prozessen und bei aktuellen Themen des grenzüberschreitenden digitalen Musikvertriebs durch globale Plattformen unverzichtbar.

Sie sagen, es sei wichtig, dass viel mehr Musikautoren ihre Stimme erheben, wenn es um Lobbyarbeit geht. Warum?

Ganz einfach: Sie sind die Quelle der Musik und der Texte, um die sich diese Lobbyarbeit letztendlich dreht. Niemand wird seine Interessen glaubhafter und leidenschaftlicher vertreten können als derjenige, dessen Interessen direkt existentiell betroffen und im Kern bedroht sind. Das „innere Band“, welches den Urheber zeitlebens mit seinen geschaffenen Werken verbindet,  verleiht seinen Äußerungen insbesondere zu Themen des Urheberpersönlichkeitsrechts, oder der „Moral Rights“ eine explizite Überzeugungskraft. Angesichts des derzeit verbreiteten Unwesens, dass sogar einige Nutzer-Interessensgruppen keck behaupten, Musikurheber zu repräsentieren und so den Anschein erwecken, in deren Namen sprechen zu dürfen, ist es umso wichtiger, dass die Musikautoren unmissverständlich ihre eigene Stimme laut und deutlich zu Gehör bringen.

Wieso wissen immer noch zu wenige Musikautoren über ihre (Urheber)rechte Bescheid?

Ich nehme an, weil sich viele Musikautoren in einem harten Überlebenskampf befinden und oft gar nicht die Zeit und Muße haben, sich um ihre Rechte zu kümmern, was mitunter verhängnisvolle Folgen nach sich zieht. Doch wer seine Rechte nicht kennt, kann auch nicht für diese kämpfen! Daher hat die CIAM verschiedene  „Educational Programs“ eingerichtet, um Wissen und professionelles Training zu vermitteln, damit die Urheber sowohl  ihr Handwerk verbessern können als auch besser über ihre Rechte informiert werden, um diese konsequent durchzusetzen. In einigen Ländern gibt es außerdem noch keine Verwertungsgesellschaften. Dort ist es besonders schwer, ein Bewusstsein für Musikautorenrechte zu schaffen. Die CIAM leistet hier im Verbund mit der CISAC entscheidende Aufbauarbeit.

Bildunterschrift: Jörg Evers ist seit 2000 Mitglied des GEMA-Aufsichtsrats, zwischen 2009 und 2012 war er dessen Vorsitzender. Zudem war er Präsident des Deutschen Komponistenverbands und ist in internationalen Gremien tätig.