Magazin / 30. November 2021

„Urheber sind der Ausgangspunkt unserer Kreativwirtschaft“

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Björn Ulvaeus ist Sänger und Songwriter von ABBA und Präsident der CISAC, dem internationalen Dachverband der musikalischen Verwertungsgesellschaften. Die Initiative Urheberrecht hat mit ihm über die Rolle von Urheberinnen und Urhebern im kreativen Prozess, über Streaming und über sein Engagement für das Urheberrecht gesprochen.

Das Interview erschien am 29. November 2021 im IU Mag der Initiative Urheberrecht.
 

Sie sind nicht nur ein Superstar als Sänger und Songwriter bei ABBA, sondern setzen sich auch für die Rechte von Urheberinnen und Urhebern ein. Warum haben Sie diese Rolle übernommen?

Björn Ulvaeus: Ich habe diese Aufgabe übernommen, weil ich die Möglichkeit sah, meine Stimme und Erfahrung zu nutzen, um das Leben von Urhebern zu verbessern. Man könnte sagen, dass meine eigene Karriere als Songwriter eine Fallstudie zur Bedeutung des Urheberrechts ist. Alles, was wir mit ABBA erreicht haben, beruhte auf dem Urheberrecht. Das ist es, was ich mir für andere Urheber wünschen würde, und deshalb möchte ich der CISAC und ihren Mitgliedern bei der Arbeit zur Unterstützung von Urhebern weltweit helfen.

Ich habe diese Position angetreten, weil ich unbedingt handeln und dringend etwas ändern wollte. Und ich glaube, dass wir tatsächlich etwas bewirken, aber es ist ein hartes Stück Arbeit. Die CISAC und viele andere Verbände leisten großartige Arbeit. Sie setzen sich für Musikschaffende ein und sorgen dafür, dass das globale Netzwerk der Verwertungsgesellschaften effzient funktioniert und die faire Bezahlung von Songwritern gewährleistet. Aber es gibt noch viel mehr zu tun.

Streaming hat dazu beigetragen, dass die Menschen mehr Musik hören als je zuvor. Aber wie wirkt sich das Streaming tatsächlich auf Musikerinnen und Musiker aus?

Björn Ulvaeus: Wie die Pandemie gezeigt hat, ist der digitale Bereich – und der größte Teil davon entfällt auf das Streaming – zweifellos auf dem Weg, sich zur wichtigsten Einnahmequelle der Zukunft zu entwickeln. Das an sich ist schon sehr spannend. Streaming-Abonnements haben uns dabei geholfen, die Online-Welt von der Piraterie zurückzuerobern, und das hat wunderbare Möglichkeiten für Künstler geschaffen. Das Problem ist jedoch, dass der Digital-Bereich, auch wenn es für einige gut funktioniert, für Musikschaffende nicht die gewünschten Erträge erzielt.

Wir haben die Belege dafür gesehen, und wir kennen die Zahlen: die vernachlässigbaren Erträge für den Urheber für einen millionenfach gestreamten Song. Die Aufteilung des digitalen Kuchens mit der historischen Überbewertung der Aufnahmerechte und der Unterbewertung der dem Songwriter oder Komponisten zustehenden Tantiemen.

Diese Probleme gab es schon immer, aber sie sind nun noch bedenklicher, da Songwriter sich zunehmend der digitalen Welt zuwenden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. So hat Covid die bestehenden Ungleichheiten und Mängel des aktuellen digitalen Marktes ins Rampenlicht gestellt.

Aber in der Musikbranche wird doch viel Geld verdient – einige verdienen sogar wesentlich mehr als früher – was hat es damit auf sich?

Björn Ulvaeus: Hier geht es in erster Linie um die historische Behandlung der Songwriter als untergeordneter Partner in der kreativen Kette. Das ist etwas, das ich mit allen Mitteln zu ändern
versuche. Ich habe es immer als ungerecht, unfair und offen gesagt unmoralisch empfunden, dass die Person, die am Anfang des Prozesses steht – der Songwriter oder Komponist – eine so untergeordnete Rolle spielt, wenn es um Rechte und Vergütung geht.

Wenn wir akzeptieren, dass der Song – oder das kreative Werk eines beliebigen anderen Repertoires – die Grundlage unserer Kreativwirtschaft ist, warum akzeptieren wir dann die weitgehende Unsichtbarkeit des Urhebers in der kommerziellen Wertschöpfungskette? Diese Urheber sind der Ausgangspunkt unserer Kultur- und Kreativwirtschaft. Ohne ihre Arbeit würde der weltweite „Kreativsektor“, der Billionen von Dollar stark ist, einfach nicht existieren.

„Plötzlich liegt der Schwerpunkt so stark auf den Rechten des Urhebers wie nie zuvor. Es herrscht jetzt ein größeres Bewusstsein für die ‚Songwirtschaft‘ – das ist einer der ‚Lichtblicke‘ von Covid.“


Wenn Musikliebhaber auf Spotify stöbern, dann suchen sie nach Songs, nicht nach Künstlern. Das geht aus den neuesten Daten hervor. Damit müssen wir uns also auseinandersetzen, und ich habe das Gefühl, dass wir langsam unsere Einstellung ändern. Plötzlich liegt der Schwerpunkt so stark auf den Rechten des Urhebers wie nie zuvor. Es herrscht jetzt ein größeres Bewusstsein für die „song economy“ – das ist einer der „Lichtblicke“ von Covid. Auch das Big Business wird sich langsam des Wertes von Songs bewusst. Die Beteiligungsgesellschaften Blackstone and Hipgnosis haben enorme Summen für die Songkataloge von Musikautoren bezahlt. Ich denke, dies spiegelt einen Wandel in der Wahrnehmung wider – die Leute erkennen den immensen Wert der Komposition und des Songwriters. Aber die Wahrnehmung ist eine Sache – jetzt müssen wir handeln.

Auch die politischen Entscheidungsträger zeigen ein stärkeres Interesse. In Großbritannien hat die parlamentarische Untersuchung zum Thema Streaming den Mangel an Fairness im digitalen Markt sehr genau unter die Lupe genommen. Ich denke, dass dieser ganze Prozess in Großbritannien das Thema ins Rampenlicht gerückt hat – und das ist sehr begrüßenswert. Es trägt zu mehr Transparenz bei – denn das ist das eigentliche Problem: die mangelnde Sichtbarkeit der Daten, auf denen die Geschäftspraktiken beruhen. Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Parlamente in anderen Ländern, wie z. B. in Deutschland, einen ähnlichen Blick auf das Musikstreaming werfen und sicherstellen, dass Songwriter und Komponisten fair entlohnt werden.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft an diejenigen, die dazu beitragen können, dass Songwriter:innen wirklich vom Streaming leben können?

Björn Ulvaeus: Zuallererst sollten wir einfach den Urhebern Anerkennung zollen. Es ist an der Zeit, den Songwriter aus dem Aufenthaltsraum auf die Hauptbühne zu holen und in den Mittelpunkt unserer Diskussionen über faire Rechte und Vergütung zu stellen. Deshalb unterstütze ich das neu gestartete Projekt „Credits Due“, das den Prozess der Identifizierung, Registrierung und Bezahlung von Urhebern online enorm vereinfachen würde.

Zweitens müssen wir die rechtlichen und die die Lizenzierung bestimmenden Rahmenbedingungen verbessern. Wir müssen uns stark für die Rechte einsetzen. Die wichtigste Gesetzgebung, die weltweit den Maßstab für die digitale Welt setzt, ist nach wie vor die europäische Urheberrechtsrichtlinie. Als diese 2019 verabschiedet wurde, haben wir gefeiert, dass YouTube und andere nutzergenerierte Plattformen endlich, wie andere Musikdienste auch, fair verhandeln und für Musik bezahlen müssen. Der Widerstand der Tech-Plattformen gegen diese Richtlinie zeigt, wie sehr sich die Urheber für den Schutz ihrer Rechte einsetzen müssen. Und das geht nur auf globaler Ebene – deshalb ist die Rolle der CISAC so wichtig.

„Ich habe es immer als unmoralisch empfunden, dass die Person, die am Anfang des Prozesses steht – der Songschreiber oder Komponist – eine so untergeordnete Rolle spielt, wenn es um Rechte und Vergütung geht.“


Drittens brauchen wir ein System für eine gerechtere digitale Vergütung von Urhebern. COVID hat den kreativen Sektor in die digitale Welt katapultiert, und daran wird sich nichts ändern. Ich behaupte nicht, eine endgültige Antwort auf die Frage zu haben, wie der „Digital Split” (Aufteilung der digitalen Einnahmen, Red.) aussehen soll. Aber die Streaming-Abonnements, der heilige Gral, der uns alle vor einigen Jahren vor der Piraterie gerettet hat, sind nun in eine neue Phase eingetreten. Es ist eine tiefgreifende Diskussion erforderlich, um sicherzustellen, dass diese enormen Einnahmen gerecht mit den Urhebern geteilt werden.

Übersetzung aus dem Englischen: Claudia Jones, Clawitter-Translations

Björn Ulvaeus ist ein schwedischer Songwriter, Musiker, Sänger, Gitarrist, Produzent und Mitglied der Musikgruppe ABBA. Björn Ulvaeus‘ Songs, die er gemeinsam mit seinem ABBA-Partner und engen Freund Benny Andersson geschrieben hat, wurden zu einigen der berühmtesten Hits aller Zeiten und verkauften sich weltweit mehr als 400 Millionen Mal. Björn ist außerdem seit langem ein unermüdlicher Verfechter der Rechte von Urheberinnen und Urhebern. Gemeinsam mit Max Martin rief er „Music Rights Awareness“ ins Leben, um Urheberinnen und Urhebern auf der ganzen Welt zu helfen, ihre Rechte besser zu verstehen. Björn Ulvaeus ist Präsident der CISAC.

Die CISAC – Internationaler Verband der Gesellschaften der Autoren und Komponisten – ist das weltweit führende Netzwerk der Verwertungsgesellschaften. Mit 228 Mitgliedsgesellschaften in 120 Ländern vertritt die CISAC mehr als 4 Millionen Urheber aus allen geografischen Regionen und künstlerischen Sparten; Musik, audiovisuelle Medien, Theater, Literatur und bildende Kunst.

Die Initiative Urheberrecht vertritt die Interessen von rund 140.000 Urheberinnen und Urhebern sowie ausübenden Künstlerinnen und Künstlern in den Bereichen Komposition, Orchester, Journalismus, Film und Fernsehen, Fotografie, Dokumentarfilm, Belletristik und Sachbuch, Design, Illustration, Bildende Kunst, Schauspiel, Tanz, Spieleentwicklung und vielen mehr. In der Zusammenarbeit von über 40 Verbänden und Gewerkschaften ist die Initiative Urheberrecht die repräsentative Plattform für alle Sparten kreativen Schaffens. Wir setzen uns aktiv für die Interessen aller Urheber:innen und ausübenden Künstler:innen ein – und kämpfen für ein faires Urheberrecht in Deutschland und Europa.

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