Wie geht es weiter mit der Reform der GEMA-Kulturförderung? Georg Oeller, Vorstandsmitglied der GEMA, spricht im Interview über den aktuellen Stand des Reformprozesses, die nächsten Schritte bis zur Mitgliederversammlung 2026, wie die Mitglieder in die weiteren Beratungen eingebunden werden und warum ihm die offene Diskussion mit den Mitgliedern persönlich wichtig ist.
Seit über 70 Jahren fördert die GEMA das kreative Schaffen ihrer Mitglieder mit großer Überzeugung und in erheblichem finanziellem Umfang. Um dies auch in Zukunft fortsetzen zu können, muss die kulturelle Förderung neu ausgerichtet werden.
Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Wie lässt sich die Kulturförderung so verändern, dass sie den gegenwärtigen wie auch zukünftigen Gegebenheiten der Musiklandschaft gerecht wird und zugleich die musikalische und förderungswürdige Vielfalt der Mitgliedschaft angemessen widerspiegelt?
Herr Oeller, die Reform der Kulturförderung ist ein zentrales Anliegen der GEMA. Warum ist es wichtig, die bestehende Förderpraxis zu reformieren?
Es gibt viele Gründe. Aber der Kern ist für mich: Es besteht eine sehr deutliche Schieflage in Bezug darauf, wer in welchem Maße in den Fördertopf einzahlt und Fördergelder bekommen kann. Die GEMA ist eine Solidargemeinschaft und wird es auch weiterhin bleiben. Diese Schieflage hat sich jedoch über die Jahre durch die dahinterliegende Berechnungslogik zugespitzt und wird es weiter tun. Aber es geht nicht nur um wirtschaftliche Fragen. Auch die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Im heutigen System wird vor allem die der E-Musik zugeordnete Musik als kulturell bedeutend gefördert. Wir sind jedoch überzeugt, dass wir unser Repertoire insgesamt breiter fördern müssen als bisher, und somit auch neue Musikformen und neue Schaffensbereiche aus der U-Musik stärker in den Blick nehmen sollten.
Was macht die Kulturförderung zu einem zentralen Anliegen der GEMA?
Die kulturelle und auch die soziale Förderung gehören zum Selbstverständnis der GEMA. Das ist ein zentrales Anliegen, das tief in unserer Gemeinschaft und in der Solidarität der Mitglieder verankert ist. Im Zuge der Reformdebatte gab es immer wieder Stimmen, die von einem Rückzug der GEMA aus der Kulturförderung gesprochen haben. Das ist schlicht falsch, vielmehr ist genau das Gegenteil der Fall. Wir wollen sie erhalten und setzen alles daran, diese Förderung zukunftsfähig weiterzuführen. Wir müssen sie aber anpassen an die veränderten Gegebenheiten, so dass wir sie auch in Zukunft gut begründen können. Denn eines dürfen wir nie vergessen: Das Geld, das in die Förderung fließt, haben Mitglieder verdient. Dafür tragen wir Verantwortung.
Sie sprachen von einer Schieflage — können Sie das mit Zahlen konkretisieren? Wo genau liegen die Probleme?
Zunächst muss man sich klarmachen: Von den gesamten Fördermitteln fließen 30 Prozent ausschließlich in die E-Förderung — und das unabhängig vom tatsächlichen Aufkommen. Diese 30 Prozent sind festgesetzt, sie sind garantiert. Sie bleiben bestehen, egal, wie hoch die Einnahmen oder Verteilungen im E-Bereich ausfallen. Zudem konzentriert sich die E-Förderung auf einen sehr engen Kreis an Mitgliedern. Von den rund 10 Millionen Euro Fördergeld gehen allein 5 Millionen Euro an die Top 100 dieser Gruppe. Unser Ziel ist es ausdrücklich, diese 30 Prozent für das kulturell Besondere zu erhalten. Aber für viele im U-Bereich ist es zunehmend schwer nachzuvollziehen, warum sie diese Förderung solidarisch mitfinanzieren sollen, wenn ihre Genres dabei außen vor bleiben. Das war sicher früher einmal anders legitimiert — aber heute müssen wir das öffnen, um der Vielfalt von Musik und der kulturellen Realität gerecht zu werden.
Ein weiteres Thema sind die hohen Summen aus dem Fördertopf, die beispielsweise an Rechtsnachfolger gehen. Auch das stößt nicht überall auf Verständnis.
Richtig. Die Ausschüttung von Fördergeldern an Rechtsnachfolger ist historisch gewachsen und ist in der Form nicht mehr zeitgemäß. Zugleich kommt die Nachwuchsförderung zu kurz und gerade der Nachwuchs — sowohl aus dem E-Bereich als auch aus allen anderen Genres — braucht diese Anschubunterstützung. Wir alle wissen: Die GEMA ist nur so stark wie die Generationen, die nachkommen. Es ist unsere solidarische Verpflichtung, für Nachwuchs zu sorgen — und das heißt auch, ihn angemessen zu fördern. Das ist kein Selbstläufer und keine Aufgabe, die man auf andere Institutionen abwälzen kann.
Bei der letzten Mitgliederversammlung wurde im Rahmen der Abstimmung über den Reformantrag die notwendige Zweidrittelmehrheit knapp verfehlt. Wo steht die GEMA heute beim Reformvorhaben?
Ja, wir haben die Zweidrittelmehrheit in zwei Kurien knapp verfehlt. Gleichzeitig gab es in allen drei Kurien über 60 Prozent Zustimmung — für uns ein klares Signal: Die Mehrheit möchte Veränderung. Das haben wir als Auftrag verstanden und werden der Mitgliederversammlung im nächsten Jahr erneut einen Antrag vorlegen. Bis dahin folgen wir einem klar strukturierten Vorgehen. Bis Oktober führen wir intensive Gespräche mit Mitgliedern, Verbänden und Stakeholdern aus der Branche, um Rückmeldungen einzuholen und mögliche Anpassungen zu diskutieren. Der Aufsichtsrat prüft die Ergebnisse, berät über mögliche Änderungen und bereitet den Antrag weiter vor. Danach suchen wir erneut den Austausch mit der Mitgliedschaft. Im Dezember soll der Aufsichtsrat dann den finalen Antrag für die nächste Mitgliederversammlung beschließen. Im Anschluss werden wir diesen der Mitgliedschaft vorstellen.
Die Mitglieder sollen in diesen Prozess also aktiv eingebunden werden. Wie stellen Sie das sicher?
Wir haben dafür zwei neue Formate geschaffen. Das Forum E für den Austausch mit E-Mitgliedern und das Forum U für den Austausch mit U-Mitgliedern. In beiden Foren wollen wir mit Expertinnen und Experten aus der Mitgliedschaft ins Gespräch kommen und gemeinsam konstruktiv an den Themen arbeiten. Schließlich werden wir beide Foren zusammenführen, um die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen. Und wir treten mit Verbänden, Akademien und Musikhochschulen in den Dialog. Unser Ziel ist, dass alle relevanten Stimmen gehört werden — und dass wir den gesamten Prozess transparent und nachvollziehbar für alle gestalten. Besonders wichtig ist mir dabei zu betonen, dass jedes Mitglied die Möglichkeit hat, sich aktiv einzubringen — unabhängig davon, ob es bereits Teil eines Forums oder einer Arbeitsgruppe ist. Ich wünsche mir eine faire, offene Diskussion mit der gesamten Mitgliedschaft. Wer sich am Reformprozess beteiligen oder direkt Kontakt aufnehmen möchte, kann sich jederzeit an uns wenden. Dafür haben wir die E-Mail-Adresse reformvorhaben2026@gema.de eingerichtet, die auch auf unserer Website zu finden ist.
Gibt es bereits erste inhaltliche Festlegungen für den überarbeiteten Reformantrag?
Wir haben klare Leitlinien, an denen wir uns orientieren, um zielgerichtet zu diskutieren. Die Verteilung im E-Bereich muss neu ausgerichtet und stärker an das Inkasso gekoppelt werden — wie es in anderen Bereichen längst der Fall ist. Die Fördersumme soll nicht so stark wie bisher auf den E-Bereich fokussiert, sondern noch stärker für andere musikalische Richtungen sowie den Nachwuchs geöffnet werden. Und wir wollen die Verteilung und Förderung effizienter und effektiver gestalten. Daran arbeiten wir — in enger Abstimmung mit Mitgliedern und Gremien.
Herr Oeller, Sie begleiten diesen Prozess sehr intensiv. Was bedeutet Ihnen diese Reform persönlich?
Mir ist wichtig, dass wir eine faire, ehrliche und sachliche Diskussion führen — damit wir im nächsten Jahr zu einem guten Ergebnis kommen. Wir als GEMA wollen dazu beitragen, indem wir offen und transparent kommunizieren. Jede und jeder, der sich informieren möchte, soll wissen, worum es geht und worüber wir abstimmen. Mir persönlich ist wichtig, dass wir uns als GEMA den Realitäten stellen. Ich möchte keine Klientelpolitik, sondern eine GEMA, die nicht nur Rechte wahrnimmt, sondern auch Verantwortung übernimmt und einen aktiven Beitrag zur Förderung des musikalischen Lebens leistet. Das sehe ich als unsere Aufgabe. Und dabei ist Transparenz für mich selbstverständlich. Mein Wunsch ist es, dass wir mit dieser Reform den Weg in eine vielfältige und zukunftsfähige Musiklandschaft aktiv mitgestalten.
Weitere Informationen zur Reform der GEMA Kulturförderung, aktuelle Einblicke in den Prozess und die Möglichkeit zum Austausch finden Sie auf:
www.gema.de/reform-kulturfoerderung
Pressefoto von Georg Oeller zum Download (1,4 MB | c. Sebastian Linder)