Seit Juni 2025 verstärkt Johannes X. Schachtner den Aufsichtsrat der GEMA als stellvertretendes Mitglied. In dieser Funktion bringt er insbesondere die Perspektive der E-Musik in die Arbeit des Gremiums ein. Wir haben mit ihm über seine ersten Eindrücke, die laufende Reform der Kulturförderung und seine Erwartungen für die kommenden Monate gesprochen.
Herr Schachtner, Sie sind seit Juni Mitglied des GEMA-Aufsichtsrates. Welche Eindrücke haben Sie in dieser neuen Rolle bislang gewonnen und wie fühlen Sie sich in das Gremium aufgenommen?
Es ist tatsächlich eine Vielzahl an Eindrücken, die ich in den ersten Monaten gewinnen konnte. Natürlich war ich durch meine Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen schon vorher nah dran an den Themen, aber das Arbeiten innerhalb des Aufsichtsrates ist doch noch einmal etwas ganz anderes. Man bekommt plötzlich den vollständigen Blick: Wie laufen Entscheidungsprozesse konkret ab? Wie greifen Vorstand, Verwaltung und Gremien ineinander? Welche Überlegungen stehen hinter Beschlüssen? Diese interne Perspektive ist für mich sehr bereichernd.
Die Aufnahme ins Gremium habe ich als ausgesprochen positiv erlebt. Viele Kolleginnen und Kollegen sind direkt auf mich zugekommen, manche kannte ich auch schon aus früheren Zusammenhängen. So war der Einstieg erstaunlich einfach, und wir sind gleich in einen konstruktiven Arbeitsmodus gekommen – ohne lange Abtastphasen. Besonders interessant finde ich die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kurien, die ja jeweils eigene Sichtweisen und Schwerpunkte einbringen. Hier erlebe ich eine große Vielfalt an Perspektiven, die das Arbeiten spannend, aber auch anspruchsvoll macht.
Als stellvertretendes Mitglied habe ich gewissen Spielraum, mich über die Mitarbeit in den Kommissionen und Arbeitsgruppen einzubringen. Schon jetzt bin ich in mehreren AGs und Kommissionen aktiv – mehr, als es vielleicht für ein neues Mitglied üblich ist. Das ermöglicht mir, sehr nah an den Diskussionen und Entscheidungsprozessen mitzuwirken und Inhalte unmittelbar einzubringen.
Besonders wichtig ist mir meine Rolle als Vertreter der E-Musik. Ich bin Komponist und Dirigent, Autor eines größeren Verlages und sehr stark in der Szene aktiv. Die Szene jetzt vertreten zu dürfen, hat für mich einen ganz besonderen Wert.
Die GEMA hat mit der Reform der Kulturförderung einen größeren Veränderungsprozess angestoßen. Wie erleben Sie diesen Weg und welche Aspekte erscheinen Ihnen dabei besonders wichtig?
Die Reform ist ohne Zweifel ein sehr tiefgreifender Prozess. Sie betrifft nicht nur eine einzelne Gruppe, sondern zieht sich durch verschiedene Sparten und Genres. Das macht sie enorm komplex – und zugleich so notwendig. Für uns in der E-Musik sind die Auswirkungen besonders unmittelbar spürbar. Veränderungen schlagen sich hier oft direkt in den Einnahmen nieder. Das führt verständlicherweise zu sehr emotionalen Diskussionen, oft auch zu Verunsicherung.
Gerade deshalb ist es mir wichtig, diesen Weg konstruktiv mitzugehen. Ich erlebe dabei, wie entscheidend Kommunikation ist. Es geht nicht allein um Zahlen, Modelle und Strukturen. Es geht auch darum, ob die Mitglieder sich wirklich einbezogen fühlen, ob sie das Vertrauen haben, dass ihre Belange ernst genommen werden.
Gerade am Anfang wurde der Reformprozess aus meiner Sicht zu zurückhaltend dargestellt, was bei nicht wenigen Mitgliedern für Verunsicherung gesorgt hat. Umso wichtiger ist es jetzt, die notwendigen Anpassungen offen zu kommunizieren und nachvollziehbar zu machen.
Eine Reform in dieser Größenordnung ist immer beides zugleich: eine große Herausforderung und eine Chance. Mir ist wichtig, dass es am Ende nicht bei einem bloßen Beschluss bleibt. Vielmehr soll eine tragfähige Lösung entstehen, die die unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der Mitgliedschaft berücksichtigt und diesen auch zukünftig ihren Platz sichert. Nur so kann die Reform wirklich erfolgreich sein.
Wenn Sie an die kommenden Monate denken: Welche Erwartungen haben Sie an die Arbeit im Aufsichtsrat und wie möchten Sie sich persönlich in diesen Prozess einbringen?
Die Reform der Kulturförderung wird uns in den kommenden Monaten noch intensiv beschäftigen, und ich möchte diesen Prozess weiterhin aufmerksam begleiten. Viele Punkte sind bereits auf dem Weg und es wird nun darum gehen, sie im Gremium weiterzuverfolgen und in die Anträge einfließen zu lassen. Mir ist dabei bewusst, dass es nicht möglich sein wird, allen Erwartungen in vollem Umfang gerecht zu werden. Umso wichtiger ist es, die gefassten Entscheidungen nach außen klar und nachvollziehbar zu kommunizieren.
Grundsätzlich verstehe ich den Aufsichtsrat als Organ der Mitglieder. Wir treffen Entscheidungen im Auftrag derjenigen, die wir vertreten. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Mitgliedschaft gehört zu wichtigsten Elementen unserer GEMA. Deshalb halte ich es für wichtig, die Arbeit des Gremiums transparent zu machen und die Perspektive von außen einzubringen. Gerade weil ich neu im Aufsichtsrat bin, sehe ich viele Abläufe noch mit einem frischen Blick – und diese Sichtweise möchte ich in die Arbeit einbringen.
Über Johannes X. Schachtner
Johannes X. Schachtner studierte in München und arbeitete nach Stipendienaufenthalten in Bamberg und Paris als Komponist und Dirigent. Sein umfangreiches Werk umfasst Kammermusik, Vokal- und Orchesterwerke sowie Musiktheater und wird von renommierten Solist:innen, Ensembles und Orchestern aufgeführt. Musiktheaterproduktionen führten ihn u. a. ans Vorarlberger Landestheater und zur Münchener Biennale. Er ist Gründungsdirigent und künstlerischer Leiter von Ju[mb]le, dem Jugendensemble für Neue Musik Bayern, sowie seit 2025 künstlerischer Leiter des Chorprojekts BERGSON VOICES. Für die Saison 2024/25 entstand eine abendfüllende Musiktheaterarbeit im Auftrag der Bayerischen Theaterakademie, zum 75-jährigen Jubiläum der NDR Radiophilharmonie das Orchesterwerk Artefakt.
Über seine künstlerische Tätigkeit hinaus ist Johannes X. Schachtner seit September 2025 Vorsitzender des Kuratoriums des Musikfonds. Zudem gehört er der Fachgruppe FEM+ im Deutschen Komponistenverband (DKV) an.
Interview: Katharina Reindlmeier
Alle Infos zur Reform der GEMA Kulturförderung finden Sie hier