KI-basierte Stem-Separation mit Hit’n’Mix RipX

Ein Mann mit Käppi steht in einem Plattenladen
Foto: Kid the Colour

Wir haben GEMA Mitglieder gefragt, welche KI-Tools sie bereits im Kreativprozess nutzen. Florian Kreier, auch bekannt als Angela Aux, berichtet von seinen Erfahrungen mit Hit’n’Mix RipX DeepRemix.

Wenn ich mit Menschen über KI-Tools spreche (und das mache ich jeden Tag), fällt mir oft auf, dass viele Menschen sich vor allem schnelle und einfache Hilfe für ihre Probleme wünschen. Ich kann das verstehen. Der Gedanke ist verlockend, dass diese mystische Technologie, von der alle andauernd sprechen, uns Menschen viele oder am besten alle Wünsche erfüllt. Und das funktioniert bestimmt auf die eine oder andere Weise. 

Stems trennen und verändern

Mich interessiert mehr, diese Tools und Anwendungen zu erforschen, im spielerischen Sinne von ihnen zu lernen. Mein Lieblingsspielzeug ist die Anwendung Hit’n’Mix RipX DeepRemix. Es ist (unter anderem) ein sogenanntes Stem-Separation-Tool, mit dem man bestehende Songs (am besten im wav-Format) in die Stems bzw. einzelne Instrumente oder Instrumentengruppen aufteilen kann. Man nimmt einen Beatles-Song und zieht ihn in die Software. Nach ein paar Sekunden bekommt man die Stems separiert aufgeteilt: Ringo Stars Drum-Spur solo, die Vocals solo usw. Das ist auch sehr spannend bei Chorstücken oder mehrstimmigen Gesängen wie z.B. Miriam Makebas frühe Tracks mit The Skylarks. 

Auch spannend: Man kann den Mix beziehungsweise die Lautstärke der Einzel-Stems verändern. Das ist genial für eigene Aufnahmen, deren Mix-Projekte man nicht mehr hat. Man kann damit nachträglich die Lautstärken ändern und automatisieren. Vielleicht erleben wir in naher Zukunft viele nachträgliche Veröffentlichungen von spannenden Live- und Studio-Sessions, weil endlich der betrunkene Gitarrist aus den Sessions geschnitten oder das Fiepen auf der Hihat im Nachhinein entfernt werden kann. 

Technischer Fortschritt

Als ich vor zwei Jahren damit begann, hatten viele Instrumenten-Spuren noch Artefakte, also an manchen Stellen war in den Drums noch die Bassspur oder Gesang zu hören. Das ist immer weniger der Fall, die Spuren werden immer sauberer getrennt. Ich war eine Zeit lang fast süchtig danach, meine Lieblings-Tracks in Stems aufzuteilen, um zu verstehen, wie genau die Rhythm-Sections meiner liebsten Soul-, Fusion- oder Reggae-Tracks funktionieren. Es ist ein unbezahlbarer Kompositions-Unterricht, der so detailreich nie zuvor möglich war. Auch die Kunst des Layerings von Klängen und Atmosphären kann so (fast) dechiffriert werden. Ich schreibe fast, weil natürlich klar ist, dass man (meistens) nur von einer Annäherung an die Originalspuren sprechen kann. Immerhin aber von einer Annäherung im Bereich über 95 Prozent. Als HipHop-sozialisierter Mensch ist es natürlich auch sensationell, dass man jetzt viele Drum-Spuren samplen kann, an die man früher nie kam, weil man sie eben nicht solo hatte. Ich hoffe im Urheberrecht/Licensing schafft man da entsprechende Spielräume, damit das möglich sein kann. Ich glaube, viele Musiker*innen fänden es spannend zu wissen, dass viele Jahre nach ihrem Tod noch mit ihren Aufnahmen gearbeitet wird. Sehr interessant ist aber auch gerade der Umgang mit Artefakten: Drum-Spuren mit Frequenzen anderer Instrumente können sehr inspirierend sein, sehr spannende Sounds und rhythmische Sub-Patterns erzeugen, auf die man sonst schwer gekommen wäre. 

Abschließend eine generelle Sache: Wir Musiker*innen können/müssen mit der Welt der Entwickler*innen dieser Anwendungen kommunizieren. Wenn wir uns damit beschäftigen, eine Meinung dazu haben, dann können wir Wünsche und Bedürfnisse äußern, die dann hoffentlich produziert werden. So stehen uns hoffentlich bald Tools zur Verfügung, die uns helfen, mit der drohenden Voll-Automatisierung von Komposition (die trotzdem nicht ganz funktionieren wird) gut zu competen. 

Steckbrief RipX

Anwendungszweck: Stem-Separation
Kosten: Kostenpflichtig, Preis variiert je nach Zusatzleistungen und Anbieter
Komplexität: Ohne Vorwissen nutzbar
Anbieter: u.a. RipX, Lalal

Biografie Florian Kreier

Florian Kreier tritt als Angela Aux in wechselnden Rollen als Musiker und Performance-Lyriker auf. Der studierte Politologe schreibt Musiken für Film und Theater, Aphorismen und Essays zu Themen wie Nachhaltigkeit, Psychologie und Feminismus. Zu seinem 2023er Album „Instinctive Travels on the Paths of Space and Time“ entwarf er für die Münchner Kammerspiele ein transmediales Theaterstück auf Basis seiner Science-Fiction Novel „Nach dem Ende der Zeit“. Darin widmet Aux sich den Philosophien des Trans- und Kritischen Posthumanismus und interagierte im Kompositions- und Schreib-Prozess mit KI-Softwares. Seine Erfahrungen als Musiker und Konzept-Künstler im Zeitalter der Digitalisierung teilt er in Vorträgen und Panels (u.a. Reeperbahn-Festival, M4 Festival Zürich, Hamburg Music School). Er betreibt das Label „Inselgruppe“ und ist Board Member des „Female Peace Palace“. Aktuell arbeitet er an weiteren Projekten, sein neues Album erscheint am 30. Mai 2024.

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