Magazin / 25. April 2024

Als die Rechte an den Beatles-Songs Michael Jackson gehörten

Paul McCartney selbst gab Michael Jackson einst den Rat, sich Rechte an fremden Songs zu sichern. Das sei das wahre Gold. Wie es schließlich dazu kam, dass der King of Pop den Beatles-Katalog kaufte, ist eine kuriose Geschichte rund um Freundschaft, Profit und Urheberrecht.

Die Geschichte ist etwas verwickelt. Sie beginnt damit, dass McCartney und John Lennon mit ihrem Manager Brian Epstein und dem Musikverleger Dick James 1963 Northern Songs, den Musikverlag der Beatles, gründeten. Der Verlag verwaltete 251 McCartney/Lennon-Kompositionen. Nach Epsteins Tod 1967 änderten sich die Anteile und Northern Songs ging in den Besitz einer Firma namens ATV über. McCartney und Lennon (bzw. dessen Erben) erhielten zwar weiter ihren Anteil als Komponisten, hatten aber z. B. kein Mitsprache- und Mitverdienstrecht bei Lizenzverträgen.  

Für ihn die besten Lieder, die jemals geschrieben wurden

Einige Zeit später, Mitte der Achtziger Jahre, stand die Firma ATV und damit auch der Katalog mit den Beatles Songs zum Verkauf. Michael Jackson war sofort Feuer und Flamme: „Das sind die besten Lieder, die jemals geschrieben wurden“, erklärte er. Seit McCartneys Rat hatte er sich die Rechte an zahlreichen Songs gesichert, die er schätzte. Doch nun ging es um weit mehr – um die Kronjuwelen des Pop. Mit seinem alten Kumpel Paul wollte er es sich dennoch nicht verscherzen. Jacksons Anwalt John Branca klopfte sowohl bei Lennons Witwe Yoko Ono als auch bei McCartneys Anwalt an, um herauszufinden, ob diese vorhatten, für die Beatles-Rechte zu bieten. Das hatten sie nicht. Deshalb war der Weg frei für Michael Jackson. 

Jacksons Berater schlugen die Hände über den Kopf zusammen

Paul McCartney und Yoko Ono hätten die Rechte an den Songs zurückkaufen können. Warum ergriff McCartney damals nicht die Gelegenheit? Er hatte bereits in andere Kompositionen investiert und z. B. die gesammelten Werke von Buddy Holly erstanden. Doch diesmal lag die Sache anders: Gut möglich, dass er nicht soviel Geld für etwas hinblättern wollte, das er selbst geschaffen hatte. Aus künstlerischer Sicht wäre das verständlich.

Der Preis war wirklich enorm – und er stieg weiter und weiter. Die Verhandlungen zogen sich ewig hin, Gegenangebote wurden eingeholt, Rückzieher gemacht und Anwälte in der Concorde über den Atlantik geschickt. Michael Jacksons Berater schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und rieten ab. Doch der King of Pop blieb hart. Gebetsmühlenartig wiederholte er: „Ein Picasso hat auch keinen Preis“ – und bot schließlich 47,5 Millionen Dollar für 251 Beatles-Songs (und andere Werke, die zu dem ATV-Katalog gehörten). Als er sich obendrein zu einem Charity-Konzert im australischen Perth bereiterklärte, ging der Zuschlag schließlich an ihn.

Gut fürs Geschäft, schlecht für die Freundschaft

Am 10. August 1985 wurde der Verkauf offiziell. Geschäftlich war es die richtige Entscheidung. Als Michael Jackson 10 Jahre später Teile des Katalogs an Sony weiterverkaufte, erhielt er dafür 95 Millionen. Paul McCartneys Begeisterung hielt sich hingegen in Grenzen: „Es ist doch fragwürdig, sowas zu tun“, gibt McCartney später zu, „wenn man der Freund von jemandem ist und dann den Teppich kauft, auf dem er steht.“ Zuvor waren Paul McCartney und Michael Jackson gute Freunde gewesen. Sie hatten die Songs „Say, Say, Say“ und „The Girl Is Mine“ gemeinsam veröffentlicht. Danach arbeiteten die beiden nie mehr zusammen. Gerüchten zufolge redeten sei kein Wort mehr miteinander. Doch obwohl persönlich verletzt sprach McCartney öffentlich weiterhin in den höchsten Tönen von Jackson und stellte später klar: „Obwohl Michael und ich uns über die Jahre voneinander entfernt haben, hat es nie einen Streit gegeben.“

Das Copyright macht es möglich

Doch wie kann das überhaupt passieren? Haben Künstlerinnen und Künstler nicht das Recht, über ihr Werk frei zu verfügen? Wichtig zu wissen: Das musikalische Urheberrecht ist sehr komplex. Noch dazu, weil es ein

  • kontinentaleuropäisches Rechtsverständnis gibt, das auf den Autor ausgerichtet ist,
  • und ein angelsächsisches, das die wirtschaftliche Verwertung des Werkes in den Mittelpunkt stellt.

So erlaubt es das angelsächsische Copyright, die Urheberschaft zu kaufen und weiterzuverkaufen. Anders das kontinentaleuropäische Urheberrecht: Es bleibt an den Urheber gebunden – und kann lediglich durch andere wirtschaftlich verwertet werden.

Wieder vereint: Rechte und Urheber

Als der King of Pop starb, verkauften seine Erben die Rechte für 750 Millionen Dollar. Nachdem Paul McCartney den Käufer verklagte, einigten sich beide Parteien 2017. Paul McCartney dürfte es in erster Linie nicht ums Geld gegangen sein. Der Singer-Songwriter gilt als reichster Musiker der Welt. Sein Bestreben, die Rechte an den Hits der Beatles zurückzubekommen, hat wohl eher andere Gründe. Mit dem Erhalt der Rechte schließt sich für ihn ein Kreis. Er hat wieder alles selbst in der Hand und kann sein Vermächtnis der Nachwelt übergeben.

Die Geschichte ist in einem Forbes-Artikel von 2014 ausführlich erzählt. Wir haben sie zum Tag des Urheberrechts 2024 neu aufbereitet.