01 October 2018

40 Jahre „Kriminaltango“

Für Conny Conrad ist das Jahr 2018 voller Jubiläen. Am 11. September feierte er seinen 60 Geburtstag. Seit 30 Jahren ist er GEMA-Mitglied. Und seit 40 Jahren Erster Kriminalhauptkommissar. Der gebürtige Schöntaler über den Spagat zwischen Musik und Polizeidienst.

Herzlichen Glückwunsch, Conny Conrad. Sie sind gerade 60 Jahre alt geworden, feiern 30 Jahre GEMA-Mitgliedschaft und 40. Dienstjubiläum: als „Erster Kriminalhauptkommissar“. Wie passt das zusammen?

Für Schubladendenker ist das natürlich eine Nummer zu viel, aber für mich wurde dieser Lebensweg seit 1978 Jahr für Jahr „normaler“. Als Polizistensohn hatte ich automatisch schon als Kleinkind einen anderen Zugang zum Thema Polizei als andere. Das war ebenso normal für mich wie die Erkenntnis, mit einem außergewöhnlichen musikalischen Talent, insbesondere an der Gitarre und beim Komponieren, ausgestattet worden zu sein. Diese Symbiose führte dann letztendlich zu 40 Jahren „Kriminaltango“.

Und wie tanzen Sie diesen Tango? Sie kommen vom Dienst – und dann ab ins Studio?

Ja, wenn es um das tatsächliche Produzieren geht, war die Zeit im Studio auf abends, Wochenende, Überstundenabbau und Urlaub beschränkt. Komponieren jedoch verläuft rund um die Uhr im Kopf. Vielleicht würden andere da wahnsinnig werden. Für mich ist das aber so normal wie atmen. Dank der heutigen Digitaltechnik dauert das Produzieren ja auch nicht mehr so lange wie früher, wenn man die Software im Griff hat.

Der Spagat hat ja nun im November ein Ende. Sie gehen in Pension.

Genau. Ich war 40 Jahre lang Musiker und Kriminalbeamter im 24/7-Modus. Ab 01. November werde ich im sogenannten Ruhestand sein, so dass ich als Pensionär nun ohne Ende noch viel mehr Musik machen kann. Eine große Palette an Projektideen wartet auf meine Umsetzung. Ich war schon immer jemand, der nicht nur Ideen hat, sondern diese auch konsequent umsetzt.

Das sieht man an Ihrer Discografie. Sie schrieben mehr als 1300 Songs, die sich weltweit millionenfach verkauften. Das wirft die Frage auf: Muss man Berufsmusiker sein, um erfolgreich zu sein?

Muss man nicht. Ich bin ja das beste Beispiel dafür. Musiker sind wie Zirkusartisten ideale Beispiele als Vertreter der „brotlosen Kunst“. Das ist seit Jahrhunderten schon so. Denken wir an die weltberühmten Komponisten, die bettelarm gestorben sind. Wir haben acht Milliarden Menschen auf der Erde. Ein Viertel davon sind musikalisch begabt. Die paar tausend „Superstars“, die nur mit Musik Millionen verdient haben, sind keinesfalls die besseren Musiker, sondern nur die, die besser vermarktet wurden oder werden. Ein Beispiel: Mein Song „Sadness in your eyes“ verkaufte sich 1994 auf entspannten 1.500 CDs, ein paar Jahre später als Titel „Gestern zählt nicht mehr“ im Starclub-Musical auf über 80.000 Exemplaren. Ist deshalb die Komposition mehr wert? Nein.

Da das Geldverdienen mit Musik heute kaum noch etwas mit musikalischem Können, sondern vor allem mit gutem Marketing zu tun hat, rate ich jedem Musiker mit Ambitionen, einen Beruf zu wählen, der ihn auch zufrieden und stressfrei satt macht.

Sie verbringen jede freie Minute mit Musik – und halten sich dabei nicht unbedingt an Hör-Konventionen. Können Sie das machen, weil Sie nicht von der Musik leben müssen?

Mein aktuelles Jubiläumsalbum zum 60. Geburtstag – „The World Anthem“ –, an dem ich fünf Jahre gearbeitet habe, erfreut sich größter Beliebtheit, womit ich nie gerechnet hätte, da es den heutigen Formaten, insbesondere beim Radio, nicht entspricht. Gut, wenn man nicht ausschließlich darauf bauen muss. Ein weiterer Vorteil, nicht Berufsmusiker sein zu müssen, ist, dass man genau die Musik machen kann, die einem selbst gefällt, fernab jeglicher kommerzieller Vorgaben. Vielmehr hat man sein Auskommen und kann das zelebrieren, was man musikalisch fühlt. Man entwickelt Kunst weiter und muss nicht darauf achtgeben, dass auch genügend „Pumping Sounds“, „Riser“ oder „Downer“ im aalgeglätteten Loop- und Samplebrei unter 130BPM enthalten sind, um in einer Playlist zu erscheinen.

Sie schreiben nicht nur Pop, sondern auch Klassik. Ihre alternative Europahymne ‚Europeana‘ wurde im Gebäude der EU-Kommission in Brüssel 2014 aufgeführt. Wie war das für Sie?

Es war sehr ergreifend, da hier einige interessante Faktoren zusammen kamen. Mir wurde plötzlich bei der Aufführung bewusst, dass ich europäische Geschichte mit einer eigenen Melodie schreibe, zu der mich keiner beauftragt hatte. Es war meine Idee, die ich ins Leben rief und die solche nachhaltigen Wellen schlug, ganz nach dem Motto: „Nicht nur reden, sondern tun.“ Apropos Reden: Ich durfte vor der Aufführung im Berlaymont-Gebäude eine Rede halten. Dazu kündigte mich der Gastgeber Günter Oettinger so an: „Er ist im Gegensatz zu mir ein echter Kommissar. Ich bin ja ‚nur‘ ein EU-Kommissar“. Der heutige Bundestagsabgeordnete und damalige EU-Abgeordnete Michael Theurer ist Schirmherr der Europeana und war natürlich auch dabei. Ihm verdanke ich, dass sich diese Tore für mich auf EU-Ebene geöffnet haben.

2016 belegten Sie den 1. Platz beim Deutschen Rock- und Pop Preis. Was bedeuten Ihnen Preise?

Wenn die Ergebnisse der Preise fair, lobby- und korruptionsfrei entstehen, sind sie eine tolle Möglichkeit, das Wirken von Menschen zu würdigen. Als Preisträger wird man auch oftmals zum Vorbild und übernimmt damit eine gewisse Verantwortung für das eigene Tun. Sie sind auch Ansporn, noch besser zu werden.

Interview: Lars Christiansen