30 November 2018

Der will nur spielen

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Sein Leben hat Klaus Doldinger dem Jazz verschrieben – und dafür in diesem Jahr den Deutschen Musikautorenpreis für sein Lebenswerk verliehen bekommen. Aber auf Kompositionen wie der Titelmelodie für den „Tatort“, Musiken für „Das Boot“ und „Liebling Kreuzberg“ oder Auszeichnungen wie dem Bundesverdienstkreuz, dem Grimme-Preis oder mehreren Jazz-Awards ruht er sich nicht aus. Am liebsten will der 82-Jährige immer noch: Musik machen!

Es ist der Nachmittag des Deutschen Musikautorenpreises 2018. Die Stimmung im Hotel, wo abends die 10. Verleihung des Preises unter dem Motto „Autoren ehren Autoren“ stattfinden soll, ist hektisch. Letzte Hände werden angelegt an Dinge, die noch nicht optimal sind. Es geht ja immer um Zeit in solchen Situationen beziehungsweise um den Mangel an derselben. An einem bestimmen Punkt muss eben alles fertig sein, muss alles „stehen“. Nur einen ficht das alles nicht an: Klaus Doldinger. Der große Deutsche des Jazz, Ehrenbürger New Orleans’, der später am Abend den Deutschen Musikautorenpreis für sein Lebenswerk in Empfang nehmen soll, steht bei der Probe auf der Bühne mit Saxofon und Band und spielt. In Ruhe. Konzentriert nur auf den Sound, auf das, was der Moment von ihm verlangt. Dadurch passiert etwas Bezauberndes: Auch die, die in Hektik sind, weil sie ja ihre Ziele verfolgen und spät dran sind und in Unruhe, weil ja schon bald die Gäste kommen, halten inne. Lauschen. Was sie in sich aufnehmen, wird Till Brönner später in seiner Laudatio so beschreiben: „Bei allem, was der Preisträger in den vergangenen Jahrzehnten veröffentlicht hat – und wir reden hier von mehr als 2000 Kompositionen –, ist sein Gefühl, vielmehr noch seine Persönlichkeit zu hören und zu spüren. Er war nie jemand, der so tut als ob; nie jemand, der verzweifelt etwas sein möchte. Er war immer genau das, was er zeigte. In jedem Ton, den er spielte, war er zu hören, ein Teil seiner selbst. Es gab für ihn darüber hinaus auch gar keinen Grund, sich zu verstellen, denn wer hätte er denn sein wollen? Den Weg, den er beschritt, den gab es noch gar nicht. Mit seinem Mut und seiner unbedingten Leidenschaft zeigte er für nachfolgende Generationen einen Weg auf – und wurde selbst zum deutschen Godfather des Jazz.“

1945 verliert Doldinger sein Herz an den Jazz
Der Weg zum vielleicht bekanntesten deutschen Jazz-Musiker fing mit vielen Improvisationen an. Doldinger wird im Mai 1936 in Berlin geboren. Sein Vater ist Fernmeldetechniker, die Familie muss in kurzer Zeit immer wieder umziehen. Von Berlin geht es zunächst nach Leipzig, von dort nach Köln und Wien. Als die Rote Armee 1945 vor Wien steht, flieht Doldingers Mutter mit ihm und seinem Bruder Wolf-Dieter nach Bayern. Dort, in einem kleinen Örtchen mit dem Namen Schrobenhausen, hört im April 1945 der 9-jährige Klaus kurz nach dem Einmarsch der U.S. Army zum ersten Mal Jazz: Bei einer Probe von GIs verliert er sein Herz an den Sound, der sein ganzes weiteres Leben bestimmen soll. Bevor er sich aber am Swing ausprobiert, genießt Doldinger nach einem weiteren Umzug zunächst eine klassische Ausbildung. Als 11-jähriger Sonder-Stipendiat studiert er neben der Schule Klavier, Klarinette, Harmonielehre und Musiktheorie in Düsseldorf am Robert-Schumann-Konservatorium.

Bedeutung haben für ihn Begegnungen
Die Probe für den Deutschen Musikautorenpreis ist vorbei, jetzt hätte Klaus Doldinger im Interview die Gelegenheit, sich und seinen Lebensweg Revue passieren zu lassen. Er könnte erzählen von seiner profunden Ausbildung, von seiner ersten Dixie-Formation The Feetwarmers in Düsseldorf oder von sich und seinen Werken. Von seiner größten Melodie, die jeden Sonntagabend Millionen Zuschauer vor den Fernsehern fesselt und einstimmt auf einen der letzten gemeinsamen Nenner, auf den wir Deutschen uns einigen können: den „Tatort“. Oder über seine Musiken zu „Das Boot“ oder „Die unendliche Geschichte“ oder „Liebling Kreuzberg“ oder „Ein Fall für zwei“. Über sein Bundesverdienstkreuz für „wichtige und unüberhörbare Impulse, die er dem deutschen Kulturleben gegeben hat“. Aber: All das erzählt Klaus Doldinger nicht. Im Gegenteil. Er selbst bezeichne sich am liebsten einfach als Musikant, sagt er. „Im Jazz und in der Komposition bin ich eher Autodidakt.“ Seinen Werken gibt er in aller Bescheidenheit nicht die Bedeutung, die andere ihnen zumessen. Echte Bedeutung haben für ihn Begegnungen. Begegnungen mit Menschen, die er auf der Jazz-Reise seines Lebens traf und die heute noch seine Freunde sind. Udo Lindenberg etwa war der erste Schlagzeuger seiner Band Passport, mit der er noch immer auftritt. Mit Manfred Schoof, Wolfgang Haffner, Wolfgang Dauner oder Albert Mangelsdorff bereiste er als German Allstar die Neue Welt. Halt gibt ihm seine Familie, seine Frau Inge, mit der er seit 1960 verheiratet ist, und seine drei Kinder, die regelmäßig mit den Enkeln vorbeikommen. Davon erzählt er.

„Unerhört, wie wenig ich über die GEMA wusste.“
Klaus Doldinger ist also im besten Sinne bodenständig geblieben. Und obwohl sein Terminkalender über Jahrzehnte mehr als ausgebucht war, nahm er sich dennoch immer auch Zeit für seine Kollegen in der GEMA. Zwischen 1990 und 2015 gehörte Doldinger dem Aufsichtsrat an. „Mein Kölner Freund Harald Banter rief mich damals an, jemand sei ausgefallen, ob ich nicht in den Aufsichtsrat der GEMA kommen wolle“, erzählt Doldinger. „Es ist eigentlich unerhört, wie wenig ich bis dahin über die GEMA wusste, was sie eigentlich tut. Aber ich sagte zu. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich erst richtig mit Urheberrecht befasst und was das für uns Musiker bedeutet. Die Autoren in Deutschland stehen im Vergleich zu dem, was die Amerikaner zu bieten haben, viel besser da – auch im Vergleich zum Rest der Welt. Das ist der Verdienst ganz weniger Leute, die sich für die juristische, geradlinige Durchsetzung dessen, was da anliegt, voll einsetzen.“ Allerdings habe er zu Beginn seiner Tätigkeit keine Ahnung davon gehabt, wie viel Zeit die Arbeit im Aufsichtsrat kosten würde. „Mindestens vier Wochen im Jahr war ich geblockt. Das waren volle Tage mit Sitzungen von morgens bis abends.“

Dr. Reinhold Kreile, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der GEMA, beschrieb Doldingers Tätigkeit in den Sitzungen mal so: „In den langen Jahren, in denen er den wichtigen Gremien der GEMA, Aufsichtsrat und Ausschüsse, angehörte, wusste man, mit welcher sachkundigen Leidenschaft er den Standpunkt des schöpferischen Musikers in der merkantilen Welt vertrat; doch man wusste auch, dass man das Glück und das Vergnügen – ungeachtet aller Auseinandersetzungen des Tages – haben wird, am Sitzungsabend ‚Doldinger und sein Horn‘ zu hören: Zusammen mit dem kongenialen Komponistenfreund Christian Bruhn am Klavier wurde die Musik der unvergänglichen Zwanziger-und Dreißigerjahre gespielt, der baritonale Klang der Saxofon-Variationen wurde gelegentlich ergänzt durch die hohe Trompete von Manfred Schoof, sie spielten also die alten Nummern in immer wieder neuem Gewande, eigene Werke (darum musste man allerdings sehr inständig bitten) und landeten am Schluss bei den Klassikern Mozarts und bei Brahms, dessen Gute-Nacht-Lied sie immer wieder zu den verblüffendsten Neugestaltungen anregte. In diesen Abendstunden war die GEMA sozusagen ganz bei sich selbst.“

„Komm, Tilli, lass uns spielen“
Spielen liegt Klaus Doldinger eben im Blut. Auch als im März 2018 der Abend des Deutschen Musikautorenpreises 2018 zu Ende geht und Klaus Doldinger mit dem Preis für das Lebenswerk geehrt wird, will der Preisträger selbst am liebsten sofort zum Saxofon greifen. Er wundert sich: „Wo ist eigentlich die Band“, fragt er, als alle von ihm eine ausufernde Dankesrede erwarten. Und an seinen Laudator Till Brönner gewandt sagt er: „Komm, Tilli, wir spielen später auch noch einen.“

Text: Lars Christiansen

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Ein Portrait von Ursule Goebel, Pressekontakt der GEMA.
Name:
Ursula Goebel
Position:
Director of Communications
Telephone:
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