EU-Wahlprogramme der Parteien zu den Themen generative KI und Kultur- & Kreativwirtschaft
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Am 9. Juni wählen die Bürgerinnen und Bürger Europas ein neues Europäisches Parlament. Es ist das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union. In Brüssel werden wichtige Weichen auch für Kultur und Medien in Deutschland gestellt. Die Direktion Politische Kommunikation der GEMA hat aus den Wahlprogrammen einiger ausgewählter demokratischer Parteien die für Urheberinnen und Urheber relevanten Themen „Künstliche Intelligenz“ und „Kultur- und Kreativwirtschaft“ zusammengestellt.
Alle Parteien betonen die Chancen, welche der Einsatz und die Anwendung von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) für viele Lebensbereiche haben werden und verweisen auf die zu erwartenden Potentiale und Innovationen. Im nächsten Schritt formulieren die Parteien unter dem Stichwort „Europäische Werte“, gefolgt von „Menschrechten“ und „Gleichberechtigung“ zugleich die Bedingungen, an denen sich die Methoden und Modelle von KI zu orientieren haben. Die Parteien verbinden die Entwicklung von KI mit der Hoffnung auf eine neue europäische Unabhängigkeit, etwa bei der Dominanz globaler Tech-Monopole oder von globalen Krisen. Je nach Länge der Wahlprogramme gehen sie dabei mehr oder weniger ins Detail: Die FDP (21 Seiten) und CDU/CSU (27 Seiten) haben für ihre Wahlprogramme 2024 insgesamt auf weniger Text gesetzt und bleiben auch bei diesen Themen dementsprechend kurz und knapp. SPD, Grüne und Die Linke legen insgesamt recht ausführliche Erläuterungen vor.
Bei den Themen Kultur- und Kreativwirtschaft sprechen sich die Parteien für einen Schutz für Missbrauch von Inhalten und einen Schutz des kreativen Schaffens aus, etwa durch das Urheberrecht oder die Durchsetzung eines Nutzungsvorbehalts. Die SPD äußert sich zu beiden nicht.
Generative künstliche Intelligenz
FDP:
Wir wollen die EU zum Hotspot für Künstliche Intelligenz machen, die den Lebenschancen der Menschen dient, statt sie zu entmündigen. Darum erteilen wir konservativen Überwachungswünschen und linken Überregulierungsfantasien gleichermaßen eine Absage. Die FDP setzt sich für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Für KI-Trainingsdaten setzen wir uns für ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild ein. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft stärken und moderne Monetarisierungsmodelle von Rechteinhabern ermöglichen. (Seite 17)
CDU/CSU:
Europa soll zum Zentrum für eine auf unseren ethischen Grundsätzen basierende Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und digitaler Innovation werden, die den Menschen dient. Wir wollen Forschung fördern und beschleunigen, Entwicklung von Anwendungen unterstützen und Freiräume ermöglichen. (...) Wir müssen ihre Risiken beherrschen, dürfen aber auf keinen Fall durch eine Überregulierung die Chancen und Vorteile von KI verpassen. Die neuen Vorschriften dürfen Innovationen in KI nicht abwürgen. (Seite 11)
SPD:
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) verändern alle Bereiche unseres Lebens und Wirtschaftens. Wir brauchen deshalb eine kohärente und harmonisierte Digitalpolitik, die alle Lebensbereiche abdeckt und alle Europäerinnen und Europäer mitnimmt – eine echte Verwirklichung der Digitalunion. Europa hat in den letzten Jahren viele Meilensteine, wie z. B. den Digital Service Act, erreicht und bewiesen, dass ein geeintes Europa mit seinen Werten eine Vorreiterrolle in der digitalen Welt einnehmen kann, wenn es um die demokratische, souveräne und faire Gestaltung der Digitalisierung geht. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Wir wollen die Potenziale digitaler Technologien für Fortschritt und Wohlstand in Europa nutzen. Die jüngsten technischen Entwicklungen haben auch deutlich gemacht, dass wir uns unabhängiger und krisensicherer aufstellen müssen. Deshalb wollen wir die Entwicklung und die Produktionskapazitäten zur Herstellung digitaler Schlüsseltechnologien und Netzwerktechnologien sowie den Aufbau von Rechenkapazitäten beispielsweise für die Entwicklung von europäischen KI-Modellen in Europa sicherstellen und noch stärker als bisher fördern.
Die essenzielle Säule unseres Handels sind unsere gemeinsamen europäischen Werte und ein menschenzentrierter Ansatz in der digitalen Transformation. (Seite 15)
Algorithmische Entscheidungssysteme können Verwaltungen entlasten, neue Jobs ermöglichen oder die Gesundheitsversorgung verbessern. Doch sie können auch Verbraucher- und Menschenrechte verletzen, und das gilt auch für andere Methoden der Künstlichen Intelligenz. Die Entwicklung und der Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz müssen europäischen Werten folgen. Deshalb wollen wir bei der Entwicklung und Verbreitung von KI-Modellen die erneute Dominanz großer Tech-Monopole verhindern. Insbesondere für den Einsatz in Verfahren der öffentlichen Verwaltung bzw. dort, wo großes öffentliches Interesse vorliegt, wie z. B. im Bereich Gesundheit, wollen wir im europäischen Maßstab und nach europäischen Werten allgemein zugängliche KI-Modelle entwickeln, um Abhängigkeiten zu vermeiden und globale Standards „Made in Europe“ zu setzen. Wir wollen die Mitgliedsstaaten zum Treiber dieser Entwicklungen machen, indem sie Innovationen „Made in Europe“ wie z.B. im Bereich KI oder künftig im Bereich Quantencomputing nachfragen und somit für deren Skalierung sorgen. Wir wollen den Zugang zu Fördermitteln vereinfachen und beschleunigen. Zudem wollen wir eine gebündelte europäische Spitzenforschung im Bereich KI ermöglichen, um Fachkräfte in Europa auszubilden und zu halten. Wir setzen uns für unabhängige Datenschutzbehörden, Folgeabschätzungen sowie Transparenz- und Kennzeichnungspflichten innerhalb der EU ein. Dies gilt insbesondere für KI-Basismodelle. Zudem gilt es, kleine und mittelständische Unternehmen beim Einsatz von KI zu unterstützen und Open-Source-Ansätze auch im Bereich KI zu fördern. (Seite 17)
Grüne:
Die Fortschritte in der Entwicklung und Anwendung von KI stellen eine riesige Chance für viele Lebensbereiche dar. Sie kann dem Menschen dienen, unser Leben vereinfachen und unseren Wohlstand mehren, sie kann Prozesse in Alltag, Bildung und Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft verändern und vereinfachen. Moderne KI-gestützte Verfahren können dabei helfen, den Einsatz von Wasser sowie Pestiziden zu verringern und gleichzeitig den Ernteertrag erhöhen. Sie schonen die Umwelt und erhöhen die Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig zeigen sich durch die rasanten Fortschritte von KI neue Risiken. Diese reichen von großflächigen Cyberattacken durch KI-unterstützte Schwachstellensuchen über die strukturelle Benachteiligung von gesellschaftlichen Gruppen bis zu Risiken wie fehlerhaften Situationsbewertungen beim autonomen Fahren. Wir wollen KI nach unseren gemeinsamen Werten einsetzen, um einen effektiven Schutz der Menschenrechte und Gleichberechtigung zu gewährleisten. Wir unterstützen daher Forschung und Technologiefolgenabschätzung, die die Einführung dieser Technologie begleiten sollen, und setzen uns für eine Regulierung nicht nur auf europäischer, sondern auch auf globaler Ebene ein. Wir unterstützen den Ansatz, KI-Anwendungen hinsichtlich ihres potenziellen Risikos zu regulieren und wo erforderlich die zugrundeliegenden Quelldaten transparent zu machen. Mit dem Artificial Intelligence (AI) Act macht die EU einen großen Schritt in diese Richtung, der weltweit wahrgenommen und genau beobachtet wird. Wir wollen die Potenziale von KI gestalten und nutzbar machen. Dafür benötigen wir neben Verfügbarkeit von Rechenkapazität auch Fachkräfteförderung, eine bessere Verfügbarkeit von Daten und die Unterstützung bei Forschung und Transfer. Neben der internationalen Etablierung von ökologischen IT-Standards wollen wir Nachhaltigkeitsstandards für Softwaredesigns entwickeln und implementieren, zudem wollen wir energieintensive Rechenzentren künftig klimaneutral betreiben. Für Software und vernetzte Geräte muss „Sustainability by Design“ die Regel sein; für KI, Cloud-Plattformen, Browser, Suchmaschinen, digitale Marktplätze und soziale Netzwerke muss die EU-Nachhaltigkeitsstandards entwickeln. Wir fordern einen Digital Sustainability Act auf EU-Ebene, um die Innovationskraft der Unternehmen in den Informationstechnologien stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. Zudem wollen wir eine Abwärmeinfrastruktur von Rechenzentren in die europäische Energieinfrastruktur integrieren. (Seite 25)
Die Linke:
Die EU will in den nächsten zehn Jahren mit viel Geld die Entwicklung und den Markt für KI-Anwendungen fördern. Viele der in der Öffentlichkeit bekannten KI-Anwendungen nützen vor allem dem Profit der Unternehmen und haben nur einen geringen gesellschaftlichen Mehrwert. Gleichzeitig sind mit ihnen teilweise hohe Risiken verbunden. Verbraucher*innenschutz und ethische Standards können nur sichergestellt werden, wenn die Algorithmen nachvollziehbar sind – daran haben die Unternehmen in der Regel kein Interesse. Wir wollen KI-Anwendungen fördern, von denen ein gesellschaftlicher Nutzen zu erwarten ist. In anderen Bereichen wollen wir den KI-Einsatz beschränken oder verhindern. Denn auch der Energieverbrauch für KI ist riesig, besonders in der Entwicklungsphase. Ihr flächendeckender Einsatz ist nur selten energiesparend möglich. Die EU soll Forschung zu gesellschaftlich nützlichen Anwendungen künstlicher Intelligenz fördern und kritische Forschung zu Risiken künstlicher Intelligenz öffentlich finanzieren. In sensiblen Bereichen müssen Erklärbarkeit, Nachvollziehbarkeit der Prozesse, Transparenz, wie Entscheidungen zustande kommen, sowie Transparenz, mit welchen Daten die KI trainiert wurde, gewährleistet sein. Entscheidungen, die durch KI getroffen werden und Auswirkungen für Menschen haben, müssen immer nachvollziehbar sein und beanstandet werden können (und zwar nicht bei einer KI-Instanz oder Chat-Software). KI-Systeme, die Grundrechte verletzen, müssen verboten werden: Automatisierte Gesichtserkennung und Verhaltensklassifikation in öffentlich zugänglichen Räumen wollen wir verbieten. In Schulen dürfen keine KI-Systeme eingesetzt werden, die Leistungen, Lernen oder Sozialverhalten bewerten. (Seite 46)
Kultur- und Kreativwirtschaft
FDP:
Meinungs- und Kunstfreiheit gilt auch im Netz. Deshalb wollen wir die Pflicht zum Einsatz von Uploadfiltern abschaffen. (Seite 11)
CDU/CSU:
Der Kultur- und Kreativsektor ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und ein eigenständiger Berufszweig. Als solchen wollen wir ihn bei der nachhaltigen und digitalen Transformation unterstützen und vor dem Missbrauch von Inhalten schützen. Daher setzen wir uns für den Schutz des Urheberrechts insbesondere in der Musik-, Film- und Literaturbranche ein. (Seite 20)
Grüne:
Die Schaffenskraft von Künstler*innen und Kreativen ist die Grundlage für unsere lebendige Kulturlandschaft. Angesichts technischer und gesellschaftlicher Veränderungen müssen sie ihren Platz in der Verwertungskette der Kulturproduktion immer wieder neu behaupten. Das gilt vor allem für die neuen Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Diese nutzt von Menschen erdachte Bilder, Töne und Texte, um neue Inhalte zu erzeugen. KI-Produkte treten dabei in Konkurrenz zu menschlichen Urheber*innen. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Urheber*innen ihren Nutzungsvorbehalt und gegebenenfalls andere Rechte gegenüber kommerzieller KI einfach und zentral und wo sinnvoll maschinenlesbar wahrnehmen können. Das Urheberrecht soll weiterhin das kreative Schaffen natürlicher Personen schützen und darf nicht auf automatisch generierte Inhalte von KI-Systemen ausgedehnt werden. Urheber*innen wollen wir bei der fairen Vergütung ihrer Werke unterstützen und gleichzeitig den Zugang zu Wissen und Kultur für alle stärken, um gute Voraussetzungen für die Kreativen von morgen zu schaffen. Werknutzer*innen ebenso wie Urheber*innen und auch andere Kulturschaffende wie Schauspieler*innen oder Musiker*innen müssen einen Platz am Tisch haben, wenn über die Weichenstellungen der digitalisierten Kulturwelt verhandelt wird. Im Interesse der Chancengleichheit wollen wir, wie die bisherige Ausleihe, auch die digitale Ausleihe (E-Lending) von Inhalten im Kontext von Bibliotheken, Bildungs- und Forschungseinrichtungen ermöglichen. (Seite 98)
Die Linke:
Viele Kreative sind in der Pandemie in ganz Europa in Erwerbslosigkeit und Bezug von Transferleistungen gedrängt worden. Die Arbeitsverhältnisse der Kreativen müssen krisenfest und nach gewerkschaftlichen Standards geregelt werden. Wir wollen eine Kultur des Teilens stärken. Der freie Zugang zu und der Umgang mit Wissen und Kultur muss abgesichert werden. Dazu gehören eine weitgehende Fair-Use-Regelung, eine Verkürzung der Schutzfristen und Schrankenregelungen für Wissenschaft und Bildung. Die europäische Verordnung zur Netzneutralität muss verschärft werden, damit Internetunternehmen sie nicht weiter weitgehend straffrei unterlaufen können. Die europäischen Rahmenbedingungen für die Rechte freier Arbeiter*innen müssen per Gesetz geregelt und Mindestlöhne und -honorare eingeführt werden. Um einen EU-weiten Rahmen für bessere Arbeitsbedingungen von Kulturproduzent*innen zu schaffen, soll die Einführung eines europaweiten „Fair-Work-Siegels“ in der kreativen Branche geprüft werden. Solch ein Siegel soll für alle Konzertangebote, Musiktitel, Computerspiele, Theaterereignisse, Bücher, Ausstellungen vergeben werden, wenn Kreative dort gut bezahlt werden und ordentliche Verträge haben. Keine Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitendem Arbeiten für gemeinsame Produktionen. (Seite 91)
Quelle: Wahlprogramme der Parteien
- FDP – Europa. Einfach. Machen. Entfesseln wir Europas Energie für mehr Freiheit und mehr Wohlstand.
- SPD – Gemeinsam für ein starkes Europa. Das Wahlprogramm der SPD für die Europawahl 2024
- Grüne – WAS UNS SCHÜTZT. Europawahlprogramm 2024
- Die Linke – Zeit für Gerechtigkeit. Zeit für Haltung. Zeit für Frieden. Programm zur Europawahl 2024