Interviews (archiviert) / 31 October 2018

It’s all about Awards – isn’t it?

Der Deutsche Filmmusikpreis 2018 geht an… Rachel Portman! Die Oscar®-Gewinnerin wurde bei der fünften Verleihung des Deutschen Filmmusikpreises mit dem Ehrenpreis für ihr Schaffen als Komponistin ausgezeichnet. Die GEMA sprach mit der Frau, die mit ihren Soundtracks Hollywood verzaubert.

It’s all about Awards – isn’t it? Hängt der Erfolg im Musikbusiness maßgeblich von der Bestätigung der eigenen Leistung durch Auszeichnungen ab?

Die Tatsache, dass ich einen Oscar® gewonnen habe, hat mir definitiv Türen geöffnet. Es standen mir bereits vorher bestimmte Türen offen, aber der Oscar® hat mir Zutritt zu einer komplett neuen Wirkungskreis gewährt: Hollywood und die großen Filme. Das ist der Lauf der Welt: Sobald Du von anderen enorme Bestätigung erhältst, nehmen die Leute an, dass es sich mit Dir gut zusammenarbeiten lässt. Es geht jedoch nicht nur um Auszeichnungen. Es gehört auch ein Quäntchen Glück dazu. Einige meiner besten Schöpfungen erfolgten für Filme, die trotz ihres wesentlichen Erfolgs nicht von vielen Menschen gesehen wurden. Trotzdem hat „Never Let me Go“ für mich den gleichen Stellenwert wie „Emma“. 

In einem Interview mit Classic FM sagten Sie, dass „weniger mehr sei“, wenn es um Filmmusik geht. Könnten Sie erläutern, warum Sie bei Ihren Kompositionen weniger opulente Werke bevorzugen?

Ich glaube, ich hatte mich seinerzeit auf die Musik in einem bestimmten Film bezogen, und die Tatsache, dass Musik heutzutage übermäßig oft eingesetzt wird. Ich ziehe es vor, Musik eher sparsam einzusetzen, da dies meiner Meinung nach viel wirksamer ist. Es ist für mich immer interessanter, an einem Film zu arbeiten, wo die Musik nicht als Stütze, sondern als Ergänzung des Films fungiert.

Daher bevorzuge ich Zurückhaltung bei der Filmmusik. Wenn ein Film sehr gefühlsbetont ist, kann das zusätzliche Hinzufügen von emotionaler Musik die Emotion der Person, die sich den Film ansieht, aufheben. Das wäre dann quasi doppelt gemoppelt.  

Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Filmmusik aus?

Das ist eine schwierige Frage! Sie muss musikalisch interessant sein. Sie darf einen Film nicht überfluten. Sie muss originell sein, also etwas, was ich noch nie vorher gehört habe. Sie muss so mit dem Film zusammenwirken, dass sie im Einklang damit ist, was der Film braucht; sie muss interessant oder eine besonders schöne Komposition sein. All diese Dinge machen gute Filmmusik aus.

Blicken wir mal 21 Jahre zurück: Sie waren die erste Frau, die mit einem Oscar® für die beste Filmmusik ausgezeichnet wurde. Hat sich für Frauen in der Filmmusikbranche seither etwas verändert? Und wenn ja, was? 

Das ist eine interessante Frage. Es gibt heute wesentlich mehr Komponistinnen als jemals zuvor. Abgesehen davon gibt es auch wesentlich mehr Studiengänge für Komposition, in denen Frauen einen großen Anteil davon ausmachen – und dazu oft großes Talent haben. Ob das auch in den Jobs reflektiert wird, weiß ich nicht. Es gibt immer noch wesentlich weniger Frauen, die Filmmusik schreiben, als es geben sollte. Und, der Durchbruch wird immer schwieriger. Und selbst wenn Dir ein- oder zweimal ein Hit gelingt, ist es doch schwer, im Geschäft zu bleiben. Die Wahrnehmung, dass Frauen nicht für Filme komponieren ändert sich – allerdings nur langsam.

Was sind heutzutage die wesentlichen Hürden, die Komponistinnen aus Ihrer Sicht meistern müssen?

Ich denke, es ist vor allem die Wahrnehmung, dass es sich bei der Komposition von Filmmusik um einen Job handelt, den Frauen nicht ausüben.

Welchen Rat würden Sie jungen Komponistinnen geben, die gerade einen Universitätsabschluss hinter sich gebracht haben und ihre Karriere in der Industrie beginnen?

Es wäre der gleiche Rat, den ich jeden jungen Komponisten oder jeder jungen Komponistin geben würde: Arbeite an so vielen Filmen wie möglich, probiere vielfältige Ansätze und schließlich wird sich Deine Entschlossenheit bezahlbar machen. Es geht um harte Arbeit und darum, junge Filmemacher ausfindig zu machen, die Filmmusik für ihre Filme brauchen, und Deine Fähigkeiten weiter auszubauen, während Du so viel Erfahrung wie möglich sammelst und so viel Aufmerksamkeit wie möglich bekommst.

Sie wurden beauftragt, die das Thema „Klimawandel“ in Filmmusik zu übersetzen. Wie finden Sie den Einstieg zum Komponieren für ein solches Thema?

Diese Kompositionen waren keine Filmauftragsmusiken, sondern Konzertaufträge. Es handelt sich dabei also um einen ganz anderen Ablauf. „The Water Diviner’s Tale“ zum Beispiel war ein dramatisches Chor-Oratorium. Ich habe mit einem Textdichter namens Owen Sheers zusammengearbeitet und seinen Text verwendet, der für die ‚BBC Proms‘ dramatisiert wurde. Ich habe den Text so genutzt, wie ich einen Handlungsablauf in einem Film nutze, und ihn als Ausgangspunkt hergenommen. Das andere Stück war rein orchestral. Ich habe quasi meine eigene Handlung erfunden, basierend auf meinen Gefühlen hinsichtlich unserer Umwelt und des Klimawechsels. Es ist ein programmatisches Stück; es beschreibt das Meer und die mit dem Töten von Elefanten wegen ihrer Stoßzähne verbundene Traurigkeit und endet schließlich mit Samenkörnern der Hoffnung. Ich gehe alles unterschiedlich an, je nachdem, was ich an Ausgangsmaterialien zur Verfügung habe.

Welchen Herausforderungen sind Sie beim Komponieren von „The Water Diviner’s Tale“ begegnet?  

Die Herausforderung für mich bei diesem Projekt war, ein Stück zu schreiben, welches vom Umfang her groß genug war, um einen großen Kinderchor (es waren vierzig 11-18-Jährige dabei), SATB-Chöre (Sopran, Alt, Tenor, Bass) und dazu vier Opernsänger, einen Erzähler und ein Orchester zu umfassen. Es war anspruchsvoll, etwas Dramatisches zu schreiben, was all diese Menschen involvierte und gleichzeitig die verschiedenen Elemente zu balancieren. Ich konnte das Stück nicht zu kompliziert gestalten, denn die Kinder hatten nur zwei Wochen Zeit, um das Notenmaterial und die musikalische und schauspielerische Darstellung zu erlernen. Es war für sie eine größere Herausforderung als für mich! Ich habe Spaß an der Herausforderung, etwas anderes zu machen und außerhalb des Films in verschiedenen Gebieten zu arbeiten.

Inwieweit kann Musik denn Themen wie z.B. Klimawechsel zu gesellschaftlicher Aufmerksamkeit verhelfen?

Da ist meine Antwort ganz ehrlich „keine Ahnung“. Ich denke, man tut, was man kann. Ich sorge mich wirklich um unsere Umwelt und was mit unserer Welt geschieht. Also leiste ich meinen Beitrag – zum Beispiel arbeite ich mit Michael Morpurgo an einem kleinen Film für die Klimakoalition. Ich tue, was ich kann. Ich kann helfen, indem ich Musik komponiere und an Projekten teilnehme, die auf den Klimawechsel aufmerksam machen. Wenn ich mich also um die Umwelt sorge, sollte ich meine Musik so einsetzen, dass sie der Sache so gut wie möglich dient.

Was ist Ihre persönliche Lieblingsfilmmusik?

Ich nehme an, dass Sie meinen, welche meiner eigenen Kompositionen. Na, ich denke, dass mein persönlicher Favorit „Cider House Rules“ ist, denn es hat Langlebigkeit, andererseits bin ich versucht, „Never Let Me Go“ zu sagen. Also irgendwo zwischen den beiden.  

Interview: Nadine Remus

Die GEMA unterstützte die 11. Filmmusiktage Sachsen-Anhalt, die vom 20. bis 27. Oktober 2018 stattfanden. Neben spannenden Panels und Werkstattgesprächen beim Kongress, einen Lehrerworkshop, gab es die Masterclass - DAS ORCHESTER und natürlich - als glanzvoller Höhepunkt - das abschließende Galakonzert in der Oper Halle. Als weiteres Highlight wurden am 26. Oktober im Steintor-Varieté Halle die besten Filmkomponistinnen und Komponisten beim DEUTSCHEN FILMMUSIKPREIS ausgezeichnet. Den Auftakt der diesjährigen Filmmusiktage bildete der am 20. Oktober erstmalig stattgefundene Filmmusik-Ball im passend glamourösen Ambiente des historischen Steintor-Varietés.

Mehr: www.deutscherfilmmusikpreis.de  und www.filmmusiktage.de