Interviews (archiviert) / 30 August 2018

„Netzwerken ist genauso wichtig wie künstlerisches Schaffen“

Drei Fragen an Maxi Menot und Zeina Azouqah, die sich bei der GEMA für die zwei Stipendien zur Teilnahme an der Summerschool der SoundTrack_Cologne für Frauen in der Musikbranche beworben haben – und den Zuschlag bekamen. Die 10-tägige Summerschool endete am 31. August. Wir haben sie während der Masterclass gesprochen.

Maxi Menot und Zeina Azouqah, Sie nehmen gerade an der Summerschool der SoundTrack_Cologne teil. Ziel der Summerschool ist ja vor allem das Vernetzen der Musikerinnen. Wie wichtig ist das heute?

Zeina Azouqah: Generell komponiere ich lieber und probiere neue Instrumente oder Software aus als meine Website zu pflegen oder zu netzwerken. Deswegen ist es umso wichtiger, die Gelegenheit zu nützen, andere Leute aus der Branche kennenzulernen und meine Arbeit zu präsentieren.

Maxi Menot:  Als freiberufliche Komponistin ist der größte Schritt, an Aufträge zu kommen. Die Auswahl der Kooperationspartner erfolgt aber nur durch persönlichen Kontakt. Das heißt, je mehr Leute ich in der Branche kenne, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich für Projekte angefragt werde. Ich habe acht Jahre lang Klassische Musik an der Musikhochschule Frankfurt a.M. und an der Popakademie Mannheim Composing/ Producing studiert. Während dieser Zeit habe ich mich nur auf musikalisches und technisches Können fokusiert. Auch während meiner Praktika in München, Stuttgart und Berlin ging es hauptsächlich um die Weiterbildung am Instrument oder der Kompositionstechnik. Als ich dann 2013 nach Berlin zog und das erste Mal nach Studium und Praktika im Berufsleben stand, merkte ich, dass mir meine gute Ausbildung wenig nutzte. Seitdem bin ich eine sehr aktive Netzwerkerin. Ich gehe regelmäßig auf Messen und Weiterbildungen für Selbstständige. Außerdem ist mein Credo: Im Team ist man doppelt so stark. Ich arbeite nur noch selten allein, habe in jedem Projekt Partner. Somit potenzieren sich die Reichweite und auch die Qualität. Netzwerken ist in meiner jetzigen Situation genauso wichtig, wie künstlerisch zu Schaffen.

Die Summerschool ist eine Möglichkeit, sich untereinander zu verbinden. Was für Fördermöglichkeiten wünschen Sie sich außerdem? 

Maxi Menot: Ich habe zum Beispiel an einem Mentoring-Programm in Berlin teilgenommen. Dafür bekam ich drei Monate eine Mentorin, die mich beriet. Zusätzlich haben wir Mentees uns untereinander vernetzt. Für so etwas würde ich mich jederzeit wieder bewerben. Außerdem wünsche ich mir ein Coaching in verhandlungssicherem Auftreten. Da ich mir den Respekt und die Anerkennung meiner Fähigkeiten immer erst erarbeiten muss, neige ich zu Understatement. Ich verkaufe mich nicht so gut wie männliche Kollegen, mir wird von Anfang an weniger zugetraut. Ich bin so erzogen, dass ich erst durch meine Taten die Qualität beweise. Das ist in Situationen, in denen ich in Konkurrenz zu anderen Bewerbern stehe, sehr nachteilig.

Zeina Azouqah: Für mich selbst wünsche ich mir Förderungen, die es mir ermöglichen, mit großen Ensembles und Orchestern in Aufnahmestudios zu arbeiten und damit mein Portfolio zu erweitern. Allgemein wünsche ich mir mehr Förderungen im Bereich Musikproduktion speziell für Frauen. Die Erziehung von Kindern ist immer noch nicht genderneutral – das sieht man u.a. am Spielzeugmarkt, deswegen brauchen wir erstmal Workshops gezielt für Mädchen und junge Frauen, damit sie sich eher trauen, sich den technischen Aspekten der Musikproduktion zu nähern und sie zu meistern. Wenn die Erziehung anders wäre und Mädchen bewusster mit strategischen, mechanischen und experimentelleren Spielen und Spielzeugen vertraut wären, bräuchten wir erst gar keine Workshops speziell für Mädchen und Frauen.

Warum ist Förderung von Frauen so wichtig? 

Zeina Azouqah: Wir leben in einer Gesellschaft mit großen sozialen Unterschieden. Förderung von Frauen ist wichtig, weil dadurch gleiche Chancen für uns entstehen – in einem System, das sich als extrem diskriminierend erwiesen hat. Ein persönliches Beispiel: Während einer Studiosession wurde mir von vornherein die Kompetenz abgesprochen. Ein Studiomitarbeiter mutmaßte, ich hätte das Projekt nur deshalb bekommen, weil ich die Freundin von einem anderen Mitarbeiter sei. Ich musste mich daraufhin erst beweisen. Es tut uns allen gut, wenn mehrere normalerweise ungehörte Stimmen der Gesellschaft in der Film- und Medienbranche repräsentiert sind und sich idealerweise authentisch ausdrücken können. Das hilft uns allen, uns besser zu verstehen. 

Maxi Menot: Frauen sind in der Branche extrem unterrepräsentiert. Das hat unterschiedlichste Gründe. Wenn ich jedoch eine Ursache für besonders wichtig halte, dann ist es die, dass Mädchen nicht ermutigt werden, kreative Berufe auszuüben. Dafür braucht man Selbstbewusstsein und Verhandlungsgeschick. Es mangelt an sichtbaren Vorbildern. Der Berufswunsch, Komponistin oder Bassistin in einer Band zu werden, entsteht erst gar nicht. Als ich ein Teenager war, hatte ich eine Band. Das gesamte Umfeld darum, also Musiker, Booker, Veranstaltungstechniker etc war jedoch männlich. Das verunsichert Mädchen. Während meines Studiums an der Popakademie war ich die einzige in dem Fach studierende Frau. Im Vergleich zu meinen Kommilitonen brachte ich weit weniger technische Erfahrung mit. Ich hatte permanent das Gefühl, aufholen zu müssen. Unter meinen Lehrern war keine einzige Frau. Ich empfand meine Situation damals als dramatisch.

Eine Förderung ist dann besonders wichtig, wenn das Potenzial vorhanden ist, es an kleinen, aber wichtigen Stellen mangelt. Frauen sind weniger gut vernetzt, es herrscht sogar oft ein Konkurrenzkampf. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einer anderen Autorin, und wir kamen auf das Beispiel: Ein Projekt wird vergeben und zur Auswahl steht ein Team aus zwei Männern und ein rein weibliches Team. Wer wird den Zuschlag wohl bekommen? Die Frage beantwortet sich ganz selbstverständlich. Und genau deshalb ist es so extrem wichtig, zu fördern und sichtbar zu machen, dass Frauen genauso professionell und hochwertig arbeiten wie Männer.

Interview: Lars Christiansen